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Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Titel: Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Autoren: Jan Beinßen
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Metallhüllen und Drähten. Die Bildunterschrift wies sie als die Heilige Lanze aus. Einige der am Kongress beteiligten Metallurgen hatten sich vorgenommen, die Ausstellung der Reichskleinodien in Nürnberg zu nutzen, um die Heilige Lanze mit modernsten wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Angeblich – so stand es jedenfalls in dem Artikel – sollte ihnen mit Zustimmung des Vatikans und der Kuratoren der Wiener Museen einmalig Zugang zu der Lanze gewährt werden. Die Forscher erhofften sich Aufschluss über die genaue Zusammensetzung der Reliquie, ihr Alter, die Herkunft der verwendeten Materialien. »Vielleicht«, so wurde ein Forscher zitiert, »finden wir ja sogar eine Erklärung für ihre legendäre Kraft und Heilswirkung.«
    Ein interessanter Ansatz, dachte sich Paul. Im selben Moment schreckte er auf. Hannah war wie aus dem Nichts neben der Fahrertür aufgetaucht und pochte an die Scheibe. Paul kurbelte das Fenster herunter.
    »Und?«, fragte er.
    Hannah wirkte abgekämpft: »Tut mir leid, ich habe nicht besonders viel herausfinden können. An die Chefin der Agentur bin ich erst gar nicht herangekommen. Und die Tussi am Empfang, die dumme Gans, wollte mir keine Auskunft geben. Weder über die Tote noch über Nadine.«
    »Okay«, sagte Paul enttäuscht. »Steig ein. Wir fahren zurück.«
    Hannah ließ sich in den Beifahrersitz fallen und zog einen abgerissenen Notizzettel aus ihrer Hosentasche. »Ganz umsonst war mein Besuch bei den Modeäffchen nicht.« Sie hielt ihm eine mit Kugelschreiber aufgeschmierte Adresse hin. »Das habe ich einem der Models abgeschwatzt, als ich dort drinnen mal kurz für kleine Mädchen war: die Privatanschrift von Nadine Schneider. Sie hat sich für heute anscheinend krank gemeldet. Die Chancen stehen also gut, dass wir sie zu Hause antreffen.«
    »Gut gemacht«, sagte Paul und sah Hannah dankbar an. »Fahren wir hin!«
    Paul zog es vor, abermals im Verborgenen zu bleiben, nachdem er den Renault in der Schongauerstraße unweit einer Eisenbahnüberführung abgestellt hatte. Hannah sollte vorgehen und an der Tür klingeln, während Paul hinter einer Lebensbaumhecke abwarten wollte, wie Nadine Schneider reagierte.
    Hannah suchte zunächst das Klingelschild des Mehrfamilienhauses ab und läutete dann. Während sie wartete, trat sie unruhig von einem Fuß auf den anderen. Paul beobachtete das und vergegenwärtigte sich dabei erneut, was für einen Freundschaftsdienst Hannah ihm erwies.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Milchglastür öffnete. Nadine Schneider trat in einem blauen Trainingsanzug halb heraus. Ihr kastanienbraunes Haar sah ungewaschen aus und klebte ihr in der Stirn. Sogar aus der Distanz war die zerlaufene Schminke vom Vortag in ihrem Gesicht zu sehen. Nadine wirkte wie ein Häufchen Elend.
    Paul strengte sich an, dem Gespräch zwischen Hannah und dem Model zu folgen. Doch er war zu weit entfernt, um mehr als Bruchstücke der Unterhaltung mitzubekommen:
    »Nein, nein, ich war nicht noch einmal im Lochgefängnis«, sagte Nadine Schneider mit brüchiger Stimme. »Ich bin nach dem Abend im Goldenen Ritter gleich heimgegangen. Das habe ich auch der Polizei zu Protokoll gegeben.«
    Ein Auto fuhr vorbei, so dass Paul nicht verstehen konnte, was Hannah sagte. Dann kam wieder Nadine Schneider zu Wort:
    »Für welche Zeitung schreibst du? Na, egal. Ich will sowieso nichts mehr sagen.«
    Paul sah, wie Nadine sich Tränen aus den Augen wischte.
    »Was passierte vor dem Lokal?«, wollte Hannah wissen. »Sind die anderen auch gleich nach Hause gegangen?«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. – Beate hatte es auf diesen Fotografen abgesehen.«
    »Die beiden sind also zusammen weggegangen?«
    »Sie haben ein bisschen rumgemacht und geknutscht.« Nadine Schneider schluchzte. »Mehr weiß ich nicht. Ich war müde und hatte zu viel getrunken.«
    Wieder übertönte der Motor eines vorbeifahrenden Wagens das Gespräch, so dass Paul sich weiter Vorbeugen musste, um den Rest der Unterhaltung nicht zu verpassen.
    »Aber du hast dir doch bestimmt deine Gedanken gemacht über Beate und den Fotografen«, hakte Hannah nach. »Was denkst du – ist zwischen den beiden an dem Abend noch was gelaufen?«
    »Ich habe nichts weiter mitbekommen«, beharrte Nadine Schneider mit schwacher Stimme. Dann holte sie tief Luft und gab Hannahs Drängen doch noch nach: »Na gut: Die beiden hatten schon den ganzen Abend über geflirtet. Ich glaube, dieser Fotograf war auch ziemlich scharf auf die
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