Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
angekommen sein? Paul näherte sich argwöhnisch dem Wagen und wollte einen Blick durch die getönten Scheiben riskieren. Als er in Höhe der Fahrertür angelangt war, wurde diese unversehens aufgerissen. Das chromverzierte Metall traf ihn schmerzhaft am Schienbein.
»Verflucht, was soll das?«
Chauffeur Schönberger stieg aus dem Wagen und baute sich vor ihm auf. »Ich muss Sie doch sehr bitten, Ihre Neugierde zu zügeln«, sagte er ernst.
Paul rieb sich das Knie. »Das haben Sie absichtlich getan.«
»Ja, weil Sie sich absichtlich meinen Arbeitgebern in den Weg stellen.«
Paul musterte den Weißhaarigen verärgert. »Sie schützen die Falschen!«
Paul wollte an Schönberger vorbei, doch auch der trat einen Schritt zur Seite. »Ich werde es jedenfalls nicht zulassen, dass Sie Herrn und Frau Wiesinger weiter belästigen. Mir ist längst klar, dass Ihr Interesse für den Imageprospekt nur vorgeschoben war.«
»Und ich werde es nicht zulassen, dass der Mord an dem jungen Mädchen – Hans-Paul Wiesingers Tochter – ungesühnt bleibt.« Paul sprang vom Bordstein und entfernte sich schnellen Schrittes von der Limousine. Der Fahrer machte keine weiteren Anstalten ihn aufzuhalten.
Trotz der vielen Menschen sah Paul Blohfeld sofort: Der Reporter hatte sich unterhalb der Anzeigentafeln am Ende der Abflughalle platziert und winkte ihm zu.
»Ich habe schon das ganze Terminal abgeklappert«, empfing Blohfeld den abgehetzten Paul. »Von Doro keine Spur. Was soll sie eigentlich für einen Grund für diesen überstürzten Aufbruch haben? Weiß Sie etwa von dem Verdacht gegen sich?«
Während sich Paul hektisch umsah, berichtete er von seinen neusten Informationen.
»Mit anderen Worten: Wir können jetzt guten Gewissens zuschlagen«, fasste Blohfeld zusammen.
Paul nickte bekräftigend. »Womöglich hatte Antoinette Vertrauen zu Doro gefasst und sich ihr offenbart. Ich weiß, was Sie jetzt denken: Antoinettes Verhalten war völlig irrational.«
»Sie vergessen, dass Verbrechen selten rational sind«, belehrte ihn Blohfeld. »Ich stimme Ihnen also zu. Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich weiß es nicht. Aber wenn wir sie abfliegen lassen, werden wir die Wahrheit womöglich nie erfahren.«
Die beiden setzten sich in Bewegung und gingen die Ladenstraße in Richtung Abflughalle 2 entlang. Weder in den Shops noch an den Bars konnte Paul das auffällige Gelb von Doro Wiesingers Kleid erblicken.
»Selbst wenn wir sie finden, haben wir kaum etwas in der Hand, um sie aufzuhalten«, sagte Blohfeld außer Puste.
»Ich bitte einen Polizisten um Hilfe«, sagte Paul wild entschlossen, als sie in die lichtdurchflutete zweite Abflughalle gelangten. »Dort hinten steht einer.«
Blohfeld griff sich blitzschnell einen ausliegenden Reiseprospekt und verbarg dahinter sein Gesicht. »Tolle Idee«, sagte er bissig. »Der wird seine Handschellen nicht Doro, sondern mir anlegen. Vergessen Sie nicht, dass nach mir gefahndet wird!«
Paul fluchte still in sich hinein, während sie eine Rolltreppe benutzten, um auf die Empore der Halle zu gelangen. Von dort konnten sie die Schalter der verschiedenen Fluggesellschaften überblicken. Von Doro Wiesinger war weit und breit nichts zu sehen.
»Doros Motive für die Morde liegen trotz aller Indizien ziemlich im Dunkeln«, ließ Blohfeld letzte Zweifel anklingen.
»Nehmen wir an, sie wollte ihren Schwiegervater erpressen«, sagte Paul. »Sei es wegen des Bratwurstbetrugs oder der Geldwäsche im Heimatbund oder wegen Antoinette. Sie schlug ihm möglicherweise einen Tausch vor: ihr Schweigen gegen die Scheidung von Andi und finanzielle Entschädigung für die Jahre in ihrer Ehehölle.«
»Und Antoinette musste sterben, weil sie den Deal belauschte oder sogar Zeugin des Mordes war?«, folgerte Blohfeld. »Das erklärt manches – nicht aber den fiesen Hinterhalt, in den mich die Wiesinger gelockt hat, indem sie eines meiner Seidentücher neben der Toten platziert hat. Warum musste sie ausgerechnet mich in die Sache hineinziehen?«
»Vielleicht waren Sie ihr unangenehm aufgefallen, als Sie sich nach dem Mord in der Wiesinger-Villa mit ihr unterhalten hatten.«
»Unterhalten? Kein Wort hatte sie mir gegenüber fallen lassen.«
»Dafür Sie Ihr Halstuch …«
Blohfeld überlegte kurz. »Wahrscheinlich haben Sie Recht: Ich muss es bei meinen Recherchen in der Wiesinger-Villa verloren haben. Für Doro bot sich damit die Gelegenheit, die Spur auf mich zu lenken.«
Eine Lautsprecherdurchsage unterbrach ihr
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