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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille
Autoren: Anne Chaplet
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Caro.
    Ein Luftzug. Der Duft nach Pfirsichshampoo.
    Kriminalhauptkommissar Giorgio DeLange sah den beiden hinterher und wartete auf das vertraute und beängstigende Geräusch, mit dem die Wohnungstür zuknallte. Dann räumte er den Frühstückstisch ab, verstaute das Geschirr in der Spülmaschine und die Milch im Kühlschrank und schaltete das Radio ein.
    »… zwölf Jahre alt. Der Junge hat blonde Haare, blaue Augen, ist schlank und circa ein Meter fünfundsechzig groß, trägt blaue Jeans und eine rote Windjacke …«
    Sachdienliche Hinweise. An die örtliche Polizeidienststelle. DeLange atmete tief ein und wieder aus. Immer wenn es solche Nachrichten gab, wurde er unruhig. Da war ein Zwölfjähriger verschwunden, irgendwo im Hessischen. Sein Verstand sagte ihm, daß der Knabe wahrscheinlich die Schule geschwänzt hatte und sich nun aus Angst vor Strafe nicht blicken ließ. Aber es half nichts. Immer wenn er so etwas hörte, machte er sich Sorgen.
    Um Caro und Flo. Um wen sonst.
    Beruhige dich, Alter. Der Bengel ist zwölf. Flo und Caro sind vernünftige Mädchen und schon fast erwachsen. Es wird ihnen nichts passieren. Sie werden ihre Partys feiern und die falschen Freunde kennenlernen und viel zu früh irgendeinen Langweiler mit nach Hause bringen, den sie heiraten wollen. Also reg dich ab, DeLange. Alles im grünen Bereich.
    Er richtete sich auf, wischte noch einmal mit dem Küchenpapier über die Arbeitsplatte und ging ins Bad. Diesmal sah er sich ins Gesicht beim Rasieren, was er normalerweise vermied, weil es kein schöner Anblick war. Dabei war an jeder scharfen Linie in seinem Gesicht hart gearbeitet worden. Dank an Feli. Dank an den Mann mit dem Messer. Und danke an Flo, fünfzehn, und Caro, dreizehn. Mein Stolz, mein Elend. Beide schön wie die Verheißung. Und jung und unschuldig und unverletzt, und das hoffentlich noch lange.
    Er massierte sich einen Klecks Post Shave Healer in die Haut, nutzlose Kosmetik, hatte er mal gedacht, aber seine Haut vertrat eine andere Meinung. Dann bürstete er sich das Haar, das er länger trug als früher, was sogar den Kollegen aufgefallen war, die ihn seither mit launigen Kommentaren begrüßten. »Und? Wie ist sie?« Alle glaubten, er hätte endlich wieder eine Neue. Oder was mit Hannah Lohberg angefangen. Wurde langsam Zeit nach der Trennung von Feli, meinten sie. Aber da war nichts. Und da würde auch nichts sein, solange Flo und Caro bei ihm wohnten.
    Ihretwegen nahm er heute das Auto. »Es ist kein Wasser mehr da!« Flo, gestern abend, vorwurfsvoll. »Und denk an die Bionade, Papa!« Caro. Also irgendwo Wasserkisten einladen und bei dem Bioladen auf der Eckenheimer vorbeifahren, damit die beiden Damen ihr Kultgetränk kriegten. Die Generation Bionade. Toll. Er war die Generation Tri Top gewesen. »18 Gläser aus einer einzigen Flasche.« Bevorzugt Kirsch. Und Milch gab es in Schwabbeltüten, die man in einen Extraständer stellen mußte. Platzsparende Verpackung. War damals das Ding.
    An allem mußten sie sparen zu Hause. Schon deshalb war er mit fünfzehn Jahren weg. Zur Polizei. Besser, als gleich im Knast zu landen.
    DeLange schloß die Haustür hinter sich ab und lief zum Auto auf der anderen Straßenseite. Beim Anfahren hörte er noch die Nachrichten, bevor er die neue CD in den Player schob. Verdi, La forza del destino. Keine Meldung über den verschwundenen Jungen. Er war also weder tot noch lebendig gefunden worden. Das eine war keine schlechte und das andere keine gute Botschaft.
    Me pellegrina ed orfana. Er zoomte die Lautstärke auf volle Dröhnung. »Mich, die Heimatlose, Verwaiste, treibt ein unerbittliches Schicksal …« Er konnte sich noch immer nicht zwischen Renata Tebaldi und Maria Callas entscheiden, aber im Moment tendierte er zur Tebaldi. Sie hatte die wärmere Stimme.
    »… fort vom Haus meiner Kindheit und fremden Gestaden zu.« Auf die Autobahn nach Frankfurt, immer schön gemächlich auf der rechten Spur, der Tebaldi lauschen und zusehen, wie der Wind ein paar verhuschte Wolken über den Himmel hetzte. Er kannte jede Ecke der Stadt, das Holzhausenviertel und die Nebenstraßen am Bahnhof, das Messegelände und den Hauptbahnhof, die finsteren Seiten Bockenheims und die Hinterhausidyllen Bornheims. Aber er spürte noch immer die alte Erregung, wenn sie ins Blickfeld kam, die Skyline. Die fernen Türme.
    »Heimatgefühle? Du?«
    Ja, Feli. Was dagegen, Feli?
    »Ach, ich verlasse dich unter Tränen, meine geliebte Heimat …« DeLange wechselte
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