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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert
Autoren: Merle Robert
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liebenswürdig im Umgang und in der Sprache, und er hätte einen großen König abgegeben, wäre er nicht Bastard gewesen, und einen vollendeten Edelmann, hätte er nicht sein Leben lang zur Hochstapelei geneigt, womit ihn der Himmel geschlagen hatte. Denn er stahl, betrog und unterschlug, wie ein Apfelbaum Äpfel trägt. Was bei seiner hohen Geburt nicht hinderte, daß er später Graf von Auvergne wurde und 1619 Herzog von Angoulême. Trotzdem konnte er ob seiner unglücklichen Veranlagung nirgends erscheinen, ohne daß jedermann gleich auf sein Pferd, seinen Beutel oder seinen Schmuck zu achten begann, so charmant der Prinz auch war und alle Welt bezauberte. Übrigens stahl er nicht, um Reichtum anzuhäufen, sondern um das Geld in alle Winde zu streuen, gegenüber seinen Freunden und Freundinnen war er unerhört spendabel.
    Mit dem hellsten Lächeln im schönen Gesicht trat der Großprior auf Navarra zu und machte Anstalten, ins Knie zu fallen, doch Navarra hielt ihn zurück, umarmte ihn und drückte ihm zwei schallende Küsse auf die Rosenwangen (neben denen die seinen aussahen wie altes Eichenholz).
    »Mein Neffe«, sagte er, »ich freue mich, Euch nach all den Jahren, die ich dem Hof fern war, zu sehen und Euch derweise ansprechen zu dürfen, denn Euer illustrer Vater hatte zu Lebzeiten die Güte, mich seinen Bruder zu nennen.«
    Nun begrüßte er die königlichen Edelleute, unter denen ich Sourdis, Liancourt und, zu meiner Freude, den lieben Quéribus |28| erkannte (alle drei trugen die Kette des Heilig-Geist-Ordens auf der Brust), dann faßte Navarra den Großprior am Arm und zog ihn, anstatt sich von ihm führen zu lassen, eilig vorwärts, schließlich war er nicht der Mann, den es eine Sekunde am selben Fleck hielt, so unersättlich war seine Begier zu handeln, und sein Wort – knapp, substanziell und entschieden – war immer auch Anfang zur Tat.
    Mir klopfte das Herz, muß ich gestehen, und meine Brust war geschwellt von Hoffen und Bangen, wenn ich mir vorstellte, daß diese beiden Fürsten, die ich gleichermaßen liebte und die einander um der Religion willen dreizehn Jahre lang bekriegt hatten – doch gezwungenermaßen, während ihre natürliche Neigung sie weit mehr zum Frieden, zu gegenseitiger Toleranz und Freundschaft als zu Bruderkriegen drängte –, sich endlich nun versöhnen und dem blinden Eifer der Wütenden und der Einmischung des Auslands in diesem Reich gemeinsam ein Ende setzen wollten.
    Und, wahrlich, ich war nicht der einzige, der dieser Begegnung mit dem Gefühl entgegensah, daß hier etwas Großes zum Wohle aller geschehen sollte, das sich nicht mehr rückgängig machen ließe. Denn sowie es sich herumgesprochen hatte, daß der König und Navarra sich einigen und zusammenschließen wollten, strömte herbei, was im Umkreis an guten und ehrbaren Leuten lebte – außer den Ligisten –, ohne daß Vignelles’ Schweizer an der Brücke es verhindern konnten, und überschwemmte die Wege der Herrscher, sogar auf die uralten Bäume im Park kletterten sie, so daß diese – es war April – mehr Gaffer trugen als Blätter. Der Zulauf des Volkes, das ebenso wie der Adel beider Lager begierig war, die beiden Fürsten bei ihrem historischen Treffen von nahem zu sehen und zu hören, war so überwältigend groß, daß die beiden Könige, als sie endlich an den Enden der Allee erschienen, wo die Eichen voll besagter Trauben hingen, einander eine volle Viertelstunde nur die Arme entgegenstreckten, ohne daß sie zusammenkommen konnten und ohne daß es den Soldaten gelang, die riesige Menge zu durchbrechen, ja, nicht einmal ihre Hellebarden in die Waagerechte zu senken, um die stetig wachsende Flut der Schaulustigen zurückzudrängen.
    Schließlich erhob Marschall von Aumont seine Stimme, und was die Hellebarden nicht vermochten, das bewirkte seine |29| Stimmkraft. Wie durch ein Wunder spaltete sich die Menge, und in dem schmalen Kanal begegneten sich die beiden Könige nun Auge in Auge und von Angesicht zu Angesicht, die Mienen zugleich ernst und freudig, Navarra fiel ins Knie, aber der König hob ihn auf, umarmte ihn und nannte ihn »mein Freund«.
    Was Navarra in diesem Augenblick sagte und was ich für mein Teil nicht hören konnte, davon liefen zwei Versionen um, eine lang und blumig, die andere kurz. Gemäß der einen versicherte Navarra dem König, daß er diesen Tag als den glücklichsten seines Lebens betrachte, weil Gott ihm die Huld erwiesen habe, das Angesicht seines Herrn zu sehen und
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