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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa
Autoren: Agatha Christie
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führte Poirot durch die Große Halle zu einem schmalen Gang, der vor einer Tür endete.
    Hier schob Poirot den Butler beiseite und drückte vorsichtig auf die Türklinke. Sie ließ sich zwar bewegen, aber die Tür öffnete sich nicht. Höflich klopfte Poirot an. Dann wurde sein Klopfen immer lauter. Plötzlich hörte er damit auf, ließ sich auf die Knie nieder und presste sein Auge an das Schlüsselloch.
    Langsam erhob er sich und sah sich um. Sein Gesicht war ernst.
    »Meine Herren«, sagte er. »Wir müssen diese Tür sofort aufbrechen.«
    Unter seiner Anleitung warfen sich die beiden jungen Männer, die groß und kräftig gebaut waren, gegen die Tür. Es war keine leichte Aufgabe. Die Türen von Ha m borough Close waren solide gearbeitet.
    Schließlich gab das Schloss jedoch nach; krachend und splitternd drehte sich die Tür in ihren Angeln.
    Und dann blieben alle wie erstarrt stehen. Die Lampen brannten. An der linken Wand stand ein großer Schreibtisch. Nicht am, sondern mit der einen Seite zum Schreibtisch gewandt, so dass der Rücken zur Tür zeigte, saß ein großer Mann schlaff im Schreibtischsessel. Kopf und Oberkörper waren über die rechte Lehne geneigt, während die rechte Hand und der rechte Arm hinunterhingen. Unmittelbar unter der Hand lag eine kleine Pistole auf dem Teppich…
    Irgendwelche Überlegungen, waren nicht nötig. Das Bild war deutlich genug. Sir Gervase Chevenix-Gore hatte sich erschossen.
    Sekundenlang verharrte die im Türrahmen stehende Gruppe regungslos und starrte auf das Bild. Dann ging Poirot näher. Im gleichen Augenblick sagte Hugo Trent aufgeregt: »Mein Gott, der Alte hat sich erschossen!«
    Und Lady Chevenix-Gore stieß ein langes zitterndes Stöhnen aus.
    »O Gervase – Gervase!«
    Ohne sich umzudrehen, sagte Poirot scharf: »Bringen Sie Lady Chevenix-Gore weg. Sie kann hier doch nichts tun.«
    Der ältere soldatische Mann gehorchte. »Komm, Vanda«, sagte er. »Komm, Liebling. Ruth, kümmere dich um deine Mutter.«
    Aber Ruth Chevenix-Gore hatte sich in das Zimmer gedrängt und stand dicht neben Poirot, als dieser sich über die Gestalt beugte, die so entsetzlich in dem Schreibtischsessel hing – die herkulische Gestalt eines Mannes mit dem Bart eines Wikingers.
    Mit leiser gespannter Stimme, die merkwürdig verhalten und erstickt klang, sagte sie: »Glauben Sie bestimmt, dass er… tot ist?«
    Poirot blickte zu ihr hoch.
    Das Gesicht des Mädchens spiegelte irgendeine Gefühlsregung wider – eine sehr beherrschte und unterdrückte Gefühlsregung, die er nicht ganz begriff. Es war nicht Kummer, sondern eher eine Art fast ängstlicher Erregung.
    Die kleine Frau mit dem Kneifer murmelte: »Ihre Mutter, Kind – vielleicht sollten Sie lieber…«
    Mit heller hysterischer Stimme rief das Mädchen mit dem roten Haar plötzlich: »Dann war es also doch kein Auto und kein Sektkorken! Dann haben wir den Schuss gehört…«
    Poirot drehte sich um und blickte die andern an.
    »Irgendjemand sollte der Polizei Bescheid sagen…«
    Unbeherrscht schrie Ruth Chevenix-Gore auf: »Nein!«
    Der ältere Mann mit dem hageren Gesicht sagte: »Ich fürchte, das wird sich nicht umgehen lassen. Wollen Sie das vielleicht übernehmen, Burrows? Hugo…«
    »Sie sind Mr Hugo Trent?« sagte Poirot zu dem hochgewachsenen jungen Mann mit dem Schnurrbart. »Ich fände es angebracht, wenn alle – bis auf Sie und mich – das Zimmer jetzt verließen.«
    Wieder wurde seine Autorität von niemandem angezweifelt. Der hagere Mann drängte die anderen hinaus. Poirot und Hugo Trent blieben allein zurück.
    Trent starrte Poirot an und sagte: »Hören Sie mal – wer sind Sie eigentlich? Ich meine, ich habe nicht die leiseste Ahnung. Was tun Sie hier?«
    Poirot zog eine Visitenkartentasche hervor und entnahm ihr eine Karte.
    Hugo Trent starrte sie an und sagte: »Privatdetektiv – was? Gehört habe ich natürlich schon von Ihnen… Aber ich begreife immer noch nicht, was Sie ausgerechnet hier zu suchen haben?«
    »Sie wussten also nicht, dass Ihr Onkel… er war doch Ihr Onkel, nicht wahr?«
    Sekundenlang blickten Hugos Augen auf den Toten hinunter. »Der Alte? Ja… natürlich war er mein Onkel.«
    »Sie wussten aber nicht, dass er mich hierherbestellt hatte?«
    Hugo schüttelte den Kopf. Langsam sagte er: »Nicht die geringste Ahnung hatte ich.«
    In seiner Stimme schwang etwas mit, das ziemlich schwer zu definieren war. Sein Gesicht wirkte hölzern und einfältig – es hatte einen Ausdruck, der nach
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