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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich
Autoren: Sebastian Fitzek
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und beobachtete fasziniert das Spiel seiner Gesichtsmuskeln, während er den Bericht studierte.
    Das Opfer war männlich, zwischen 25 und 40 Jahre alt und hatte noch gelebt, als es auf den Holzstoß gelegt wurde. Die eigentliche Todesursache war Rauchvergiftung, aber der Mann musste fürchterliche Schmerzen erlitten haben, ehe ihn der Tod erlöste. Seine Hände und Füße waren mit Draht gefesselt, und seinen Mund hatte man mit Klebeband verschlossen. Tony dachte kurz darüber nach, welche Befriedigung der Täter aus den Torturen seines Opfers gezogen hatte. Doch nur für einen Moment. »Kein Ausweis?«, fragte er.
    »Wir glauben, dass es sich um Jonathan Meadows handelt. Seine Freundin hatte ihn am Tag zuvor als vermisst gemeldet. Wir warten nur noch auf die Bestätigung durch die zahntechnische Untersuchung.«
    »Und was wissen wir über Jonathan Meadows?«
    »Er ist 26 Jahre alt, Automechaniker, wohnt mit seiner Freundin in einem Apartment in Moorside …«
    »Moorside? Das ist ziemlich weit weg von der Stelle, wo man seine Überreste gefunden hat.«
    Carol nickte. »Einmal quer durch die ganze Stadt. Er hat pünktlich seine Arbeit beendet und wollte laut Aussagen seiner Freundin und seiner Arbeitskollegen ins Fitness-Studio, das er drei- oder viermal wöchentlich besucht. An diesem Abend ist er dort aber nicht aufgetaucht.«
    »Also ist er irgendwann zwischen sechs und acht Uhr jemandem begegnet, der ihn überwältigt, gefesselt und geknebelt, auf einen Holzstoß gelegt und verbrannt hat?«
    »So muss es sich in etwa abgespielt haben. Fällt dir irgendetwas auf?«
    »Es ist keine leichte Sache, so etwas durchzuziehen.« Tony blätterte nochmals in den Unterlagen. Seine Gedanken loteten in Windeseile verschiedene Möglichkeiten aus. Welche Botschaft steckte hinter diesem Verbrechen? Was konnten ihm die Knochenreste erzählen? »Er ist ein Opfer mit einem äußerst niedrigen Risikoprofil«, meinte er schließlich. »Wenn ein junger Mann wie er gewaltsam stirbt, dann für gewöhnlich nicht auf diese Art. Eine Schlägerei im Pub, ein Streit um eine Frau, meinetwegen auch eine Auseinandersetzung unter Drogenhändlern oder Zuhältern – aber doch nicht eine vorsätzlich geplante Tat! Vielleicht ist er nur zufällig als Opfer ausgewählt worden? Aber dann wäre es viel wahrscheinlicher, dass sich der Mörder einen Obdachlosen oder einen Betrunkenen auf dem Heimweg ausgesucht hätte, jemanden, der wehrlos ist. Nicht jemanden mit einem Job, einer Partnerin, einem ausgefüllten Leben.«
    »Du glaubst also an ein persönliches Motiv?«
    »Schwer zu sagen, ehe wir nicht mehr über Jonathan Meadows wissen.« Er deutete auf den Untersuchungsbericht. »Jedenfalls hat die Spurensicherung am Tatort nicht viel ergeben.«
    »Die Einfahrt zu diesem Feld ist leider asphaltiert, so dass wir keine brauchbaren Reifenspuren gefunden haben. Es gibt ein paar Fußabdrücke, aber sie sind sehr undeutlich. Laut unserer Spurensicherung hat der Mörder Schuhe mit einer Art Überzug getragen, ähnlich denen, die wir am Tatort benutzen.« Carol verzog das Gesicht, was die Ironie noch betonte. »Keine Zigarettenstummel, Coladosen oder gebrauchten Kondome.«
    Tony legte die Akte aus der Hand und trank einen Schluck Wein. »Ich glaube nicht, dass es sich um einen Anfänger handelt. Dafür war die Tat zu gut geplant und ausgeführt. Er hat es schon zuvor getan. Mindestens einmal.«
    Carol schüttelte den Kopf. »Ich habe die Datenbank gecheckt: In den letzten fünf Jahren hat es in ganz Großbritannien keinen ähnlichen Fall gegeben.«
    Genau deshalb braucht sie mich
, dachte Tony. Ihre Gedankengänge waren geradlinig, eine durchaus nützliche Eigenschaft für eine Polizistin, denn genauso – auch wenn sie es sich nicht gern eingestehen – denken die meisten Kriminellen. Dagegen hatten viele Jahre an Training und Erfahrung die Windungen seines Gehirns so glatt geschliffen, bis sein Verstand nichts außer verborgenen Absichten erkennen konnte, die wie die Bilder in einem unendlichen Spiegel mal in die eine, mal in die andere Richtung wiesen.
    »Weil du nach einem Brand gesucht hast«, antwortete Tony.
    Carol sah ihn an, als ob er völlig von der Rolle sei. »Nun ja«, sagte sie, »immerhin wurde das Opfer verbrannt.«
    Tony sprang aus seinem Sessel und begann, auf und ab zu laufen. »Vergiss das Feuer. Das ist nicht relevant. Du musst nach Opfern mit geringem Risikoprofil suchen, die mit Draht gefesselt und mit Klebeband geknebelt wurden. Um
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