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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch
Autoren: Eva Almstädt
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rettete sie vor einer Diskussion.
    Susanne nickte hoffnungsvoll. »Nur zu.«
    Pia hatte die Nummer schon erkannt. Es war Gabler, ihr Chef, der sie ohne lange Vorrede fragte, ob sie am nächsten Tag bei der Obduktion von Milena Ingwers dabei sein könne.
    »Für wie viel Uhr ist die angesetzt?«, fragte Pia. Nicht, dass es einen großen Unterschied gemacht hätte.
    »Elf Uhr. Ich würde ja einen Kollegen hinschicken. Aber es geht nicht.«
    Klar, das passierte ausgerechnet dann, wenn Fiona keine Zeit hatte und tausend Dinge erledigt werden mussten. »Ich werde da sein«, sagte Pia mit einem unterdrückten Seufzer. Sie wusste, Gabler würde sie nicht fragen, wenn er eine Alternative gehabt hätte. Sie war schon länger nicht mehr in der Rechtsmedizin gewesen. Hinterher würde sie dann gleich noch an der Besprechung teilnehmen können. Wenn Sie schon umorganisieren musste, konnte sie es auch gleich richtig tun. Als sie aufgelegt hatte, fiel Pia ein, dass sie sich nicht danach erkundigt hatte, wer außer ihr noch bei der Obduktion dabei sein würde.
    »Du musst arbeiten«, stellte Susanne lakonisch fest.
    »Ja, aber nicht mehr heute.« Gott sei Dank.
    »Hast du denn morgen jemanden für Felix?«
    »Noch nicht.« Okay, mal sehen. Fiona war also beim Zahnarzt ... Pia ging im Geiste die Namen ihrer potenziellen Babysitter durch, die auch mitten in der Woche tagsüber einspringen konnten. Die Liste war überschaubar.
    »Na, dann Prost.«
    In der Ferne erklang Donnergrollen.
    Es donnerte, aber es regnete nicht. Und wieder klopfte etwas an die Hintertür. Patrick Grieger stand auf und öffnete sie, konnte aber niemanden sehen. Der Garten hinter dem Haus war bis auf die wenigen Quadratmeter, die für den Gemüsegarten abgeteilt worden waren, eine Wildnis.
    »Hallo?«, rief Patrick in die Dämmerung. Dann wurde sein Blick von den Blitzen angezogen, die in großer Entfernung über dem Meer zuckten. Schiefergraue Wolken, aber kein Regen. Ein trockenes Gewitter – gar nicht gut. Er wollte gerade die Tür wieder schließen, als etwas aus der Dunkelheit auf ihn zusprang. Reflexartig versuchte er, die Tür zuzuziehen, doch eine Hand schob sich zwischen Türblatt und Rahmen.
    Arne Klaasen drückte sich in die Küche. »Verdammt, Patrick, warum lässt du mich nicht rein?«
    »Kannst du nicht zur Vordertür reinkommen wie ein normaler Mensch? Mann, hast du mir einen Schreck eingejagt! Dich so anzuschleichen!«
    »Hast du mich nicht gehört?«
    »Seltsame Art anzuklopfen.« Patrick stand mit dem Rücken zum Tisch und musterte seinen Mitbewohner. Wo kam er jetzt erst her? Und wie sah er überhaupt aus? Arne Klaasen war ein Hüne. Annähernd zwei Meter groß, mit breiten Schultern und knochigen Armen und Beinen. Sein langes braunes Haar, das er normalerweise mit einem Schnürsenkel zu einem Zopf zusammengebunden trug, hing ihm wirr auf die Schultern. Er trug wie gewöhnlich Arbeitshosen und ein kariertes Hemd, und dass die Klamotten nach einem Arbeitstag auf dem Bau nicht sauber und heil waren, war ebenfalls normal. Doch heute sah Irmas Lebensgefährte so aus, als campierte er seit Tagen im Garten – ohne Zelt. An dem rauen Stoff seines Hemdes hafteten kleine Zweige und trockene Grashalme. Hatte er sich etwa eben im Gebüsch versteckt? Seine Hände waren mit blutigen Kratzern übersät. Und wie Arne ihn unter seinen buschigen Augenbrauen hervor anstarrte! Hätte Patrick es nicht besser gewusst, er hätte beim Anblick seines Mitbewohners glatt die Polizei gerufen.
    Apropos Polizei. »Weißt du schon, was passiert ist?«, fragte er mit gepresster Stimme.
    »Sehe ich aus, als wäre ich von gestern?«, fuhr Arne ihn an. »Irma!«, rief er. »Weib, wo steckst du?«
    Es polterte auf der Treppe, und kurz darauf betrat sie die Küche. Beim Anblick ihres Lebensgefährten zog Irma die Stirn in Falten. »Arne! Hier war die Hölle los.«
    »Ich kann es einfach nicht glauben. Das Mädchen tot ... ausgerechnet im Kruuthof.«
    Patrick zuckte, wie immer, wenn Arnes Dialekt erkennen ließ, dass er als Einziger von ihnen drei hier auf Fehmarn geboren war.
    »Wo zum Teufel bist du bloß gewesen?«, fragte Irma mit vibrierender Stimme und zeigte zum ersten Mal an diesem Tag, dass auch ihr Milenas Tod an die Nieren gegangen war.
    »Na, wo wohl? Auf’m Bau, während das Mädchen ... das Mädchen ...« Patrick wurde Zeuge, wie der Hüne die zwei Köpfe kleinere Frau in die Arme schloss und unkontrolliert zuckte. Er würde doch nicht ... Arne weinen zu sehen war
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