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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Kommissar. Aber wenn Sie mich fragen …« Sie kokettierte ein bisschen damit, jetzt die Kriminalistin zu spielen. Seine Unsicherheit gefiel ihr. Sie war daran gewöhnt, dass Menschen hier kleinlaut wurden. »So eine Dermoplastik ist eine Art Kunstwerk. Manche Leute sind durch besonders gelungene Tierpräparationen berühmt geworden. Hier hatte jemand viel Zeit und viel Kenntnis. Das gesamte Fettgewebe muss entfernt werden und …«
    »Schon gut, schon gut, so genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen. Heißt das, dass wir in einer bestimmten Szene suchen müssen? Der Täter braucht Kenntnisse, ja, eine Ausbildung.«
    Sie nickte. »Im Grunde suchen Sie jemanden wie mich, Herr Weller.«

    Ann Kathrin war immer noch sauer auf Weller. Sie nahm ihm die krampfhaften Versuche, sie aufzumuntern, übel. Sie fühlte sich dadurch in ihrer Problematik nicht ernst genommen. Schlager sollte sie singen … Der Junge mit der Mundharmonika  … So ein Blödsinn!
    Sie begleitete ihre Mutter durch den Flur. Die Frau neben ihr kam ihr merkwürdig fremd vor. Sie krampfte sich in Ann Kathrins rechten Arm, weil sie Angst hatte, zu stürzen. Ihr Gang war schlurfend und wacklig.
    Die ganze Zeit über redete sie in Richtung Ann Kathrin. Das unverständliche Geblubbere und Gelalle wurde zunehmend aggressiver, fand Ann Kathrin, so, als würde ihre Mutter es ihr übel nehmen, dass sie sie nicht verstand.
    Sie fühlt sich genauso unverstanden von mir wie ich mich von Weller, dachte sie. Habe ich mich ihm gegenüber auch nicht klar genug ausgedrückt?
    »Mama, du bist hier im Krankenhaus. Alles wird wieder gut. Du hattest einen Schlaganfall. Ich kann nicht verstehen, was du mir sagst. Dein Sprachzentrum wurde getroffen.«
    Die Mutter schüttelte den Kopf und wedelte wild mit der rechten Hand vor Ann Kathrins Gesicht herum, während sie sich mit der linken weiterhin an ihr festhielt.
    Ich muss ihr Dinge holen, die sie kennt, dachte Ann Kathrin, damit sie sich besser zurechtfindet. Sie braucht ihren eigenen Bademantel. Dinge, die sie erkennt. Vielleicht ein Bild, die eigene Uhr …
    Sie beschloss, noch einmal zurückzufahren, um Erinnerungsangebote aus der Wohnung der Mutter zu holen. Bei all den Grobheiten um uns herum müssen wir sensibel bleiben für die kleinen, zwischenmenschlichen Dinge, die doch so unglaublich wichtig sind, dachte sie.
    Sie versuchte, es ihrer Mutter zu erklären, doch die wollte sie nicht gehen lassen, hielt sie fast panisch fest, als hätte sie Angst, sie sonst nie wiederzusehen.
    »Ich komme zurück, Mama. Ich will dir nur ein paar Sachen holen. Ein Fotoalbum und …«
    Helga schüttelte den Kopf und wirkte so, als würde sie ihre Tochter am liebsten ohrfeigen, was sie aber nicht tat.
    Ann Kathrin beschloss, noch eine Weile zu bleiben und mit ihrer Mutter im Flur auf und ab zu gehen, bis sie, müde geworden, froh war, im Bett einschlafen zu können.
    Beim Spaziergang im Krankenhausflur schweiften Ann Kathrins Gedanken ab. Sie konnte dem Buchstaben- und Silbensalat, der auf sie einprasselte, nicht länger zuhören. Sie tat es vielleicht nur, um ihre Mutter einen Moment lang zum Zuhören zu bringen, damit sie endlich schwieg. Vielleicht wollte sie auch Franks Vorschlag eine Chance geben.
    Als sie es tat, fehlte ihr jede Begründung dafür. Sie begann zu singen. Ganz leise, fast verschämt, ganz nah am Ohr ihrer Mutter.
    »Schuld war nur der Bossanova,
    der war schuld daran.
    War’s der Mondenschein …«
    Ihre Mutter blieb stehen, schüttelte sich, als würde sie in der Disco tanzen und sang: »Der war schuld daran.«
    Ann Kathrin zuckte zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
    Sofort versuchte sie es erneut.
    »Schuld war nur der Bossanova …«
    Und ihre Mutter stimmte gleich mit ein:
    »Der war schuld daran.«
    Ann Kathrin staunte und sang weiter:
    »War’s der Mondenschein …«
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht zu einem Lachen:
    »Nana, der Bossa Nova.«
    Ann Kathrin kannte den weiteren Text gar nicht richtig, aber sie wollte jetzt auf keinen Fall aufhören.
    Dann standen sie gemeinsam im Flur der Ubbo-Emmius-Klinik, als sei dies eine Bühne, und sangen aus vollem Herzen:
    »Als die kleine Jane grade achtzehn war,
    Führte sie der Jim in die Dancing Bar.«
    Sie sahen sich dabei aus großen Augen an, konnten ihr Glück nicht fassen. Beiden schossen gleichzeitig Tränen in die Augen, dann hielten sie sich fest umklammert und
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