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Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)

Titel: Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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hatte das Recht, der Landschaft durch solche Zäune den Zauber zu nehmen. Gerade erst war sie aus Dornumersiel wutentbrannt abgefahren, weil dort auch so ein Ding die Landschaft verschandelte.
    Um etwas gegen den Frust zu tun, hatte sie sich einen Windbeutel bestellt, die Spezialität hier, mit viel Sahne und Eierlikör eine kalorienhaltige Köstlichkeit. Jetzt stand dieser Windbeutel vor ihr und war so gigantisch, dass der Name Sturmsack wohl besser dazu gepasst hätte.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, dieses Ding allein zu verdrücken, gab sich aber Mühe und genoss dabei jeden Bissen. Eigentlich trank Ann Kathrin nicht gern Tee, sondern viel lieber Kaffee, doch hier bestellte sie sich immer wieder gern einen Sanddorntee. Das tat sie auch jetzt. Allein der Duft stimmte sie friedlich.
    Der Mann am Tisch gegenüber stand auf. Er hatte gut fünfzehn Kilo zu viel und schob seinen Bierbauch in Ann Kathrins Nähe. Er bewunderte ein T-Shirt vom FC St. Pauli an der Wand, auf dem offensichtlich die ganze Mannschaft unterschrieben hatte.
    »Entschuldigen Sie, junge Frau«, sagte er, »ich bin auch St.-Pauli-Fan, und da wundert man sich doch, hier so ein T-Shirt zu finden.«
    Ann Kathrin nickte nur und versuchte, sich wieder in ihr Buch zu vertiefen. Ein Spaziergang am Meer, um schließlich in Aggis Huus herumzusitzen, einen Tee zu trinken und ein gutes Buch zu lesen, so stellte sie sich einen entspannenden Nachmittag vor.
    »Ich habe Sie vorhin schon gesehen«, sagte der Mann. »Sie haben auch keinen Eintritt zahlen wollen. Weder hier noch in Dornumersiel.«
    Ann Kathrin nickte wieder und schaute in ihr Buch.
    »Wenn ich Urlaub mache, will ich mich nicht fühlen wie beim Hofgang in einer Justizvollzugsanstalt«, lästerte der Mann. »Da muss es einen grundsätzlichen Unterschied geben, und das haben die scheinbar hier vergessen. Wir werden abreisen.«
    »In Norddeich gibt es so einen Quatsch noch nicht«, sagte Ann Kathrin.
    Der Mann drehte sich um und rief jetzt viel lauter als notwendig zu seiner Frau: »Hast du gehört? In Norddeich ist das anders. Sollen wir da hinfahren?«
    »Ich hab’s gehört, Wilhelm. Ich bin doch nicht schwerhörig. Jetzt lass die Dame in Ruhe, du siehst doch, sie will lesen.«
    »Ja und? Ich stör sie doch nicht!«
    Ann Kathrin nahm einen Schluck Tee und hob ihr Buch höher, um dem St.-Pauli-Fan zu zeigen, dass sie tatsächlich etwas anderes vorhatte, als sich mit ihm zu unterhalten.
    »Was lesen Sie denn da? Ist das ein Kinderbuch? Da ist ja eine Pusteblume drauf.«
    Ann Kathrin stöhnte. »Das Buch heißt: Lass los, was deine Seele belastet . Rita Pohle hat es geschrieben. Ich würde es jetzt gerne weiterlesen.«
    »Siehst du! Nun lass die Dame doch in Ruhe! Komm, setz dich wieder hierhin.«
    »Jetzt sei mal ruhig, Sieglinde, wir unterhalten uns gerade.«
    »Nein«, sagte Ann Kathrin, »wir unterhalten uns nicht. Sie reden. Ich möchte lesen.«
    Falls Sie unter chronischem Zeitmangel leiden, sich fremdbestimmt oder als Opfer Ihrer Aktivitäten fühlen, sollten Sie Ihre Zeit selbst in die Hand nehmen!
    Genau wegen dieses Satzes hatte sie das Buch gekauft.
    Obwohl der Mann immer noch vor ihr stand und versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln, aß sie tapfer ihren Windbeutel und las dabei:
    Fragen Sie sich bei jedem neuen Termin: Muss der unbedingt sein? Lassen Sie auf keinen Fall zu, dass andere über Ihre Zeit verfügen und Sie verplanen. Enttarnen Sie Zeiträuber, egal, ob menschlicher oder organisatorischer Natur, und meiden Sie sie.
    Ann Kathrin blickte vom Buch auf und sah dem Mann jetzt hart ins Gesicht. Ja, das war genau so ein Zeiträuber.
    Sie wollte ihn jetzt einfach wegschicken. Sie suchte noch nach einem Satz, der nicht allzu verletzend für ihn wäre, da heulte ihr Handy los wie ein einsamer Seehund auf der Sandbank bei Ebbe.
    »Hör mal, Sieglinde«, rief Wilhelm, »ihr Handy klingt wie ein Seehund! Das ist ja originell!«
    Ann Kathrin kannte die Nummer im Display nicht. Es war kein beruflicher Anruf, aber noch bevor sie das Gespräch annahm, hatte sie ein schlechtes Gewissen ihrer Mutter gegenüber. Wann hatte sie sie zum letzten Mal angerufen? Wann zum letzten Mal besucht?
    Später würde sie oft über diesen Moment nachdenken. Sie wusste, dass es um ihre Mutter ging, noch bevor sie die Stimme der Krankenschwester hörte.
    »Mein Name ist Jutta Schnitger von der Ubbo-Emmius-Klinik in Norden. Spreche ich mit Ann Kathrin Klaasen?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Frau Klaasen, ich
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