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Osterfeuer (German Edition)

Osterfeuer (German Edition)

Titel: Osterfeuer (German Edition)
Autoren: Ella Danz
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tiefen
Seufzer hören, in dem eine gewisse Ratlosigkeit lag. So viel Emotionalität hatte
Trude noch nie an ihr erlebt und sie fühlte plötzlich nichts als Mitleid.
    »Ach, Trude! Was soll ich jetzt
tun?«
    Eh Trude die richtige Antwort parat
hatte, öffnete sich plötzlich die Wohnungstür, so heftig, dass sie mit einem lauten
Krachen gegen die Wand prallte und Trude vor Schreck aus ihrem Stuhl aufsprang.
Drei große Schritte und Jansen stand neben Iris. Mit einem trockenen ›Klick‹ legten
sich Handschellen um ihre schmalen Gelenke.
    »Frau Schulze! Ich verhafte Sie
wegen versuchten Mordes an Krischan Lage, sowie wegen Mordes an Frau Margot Sandner
und Frau Elsbeth Friedrichsen. Sie haben das Recht …«
    Trude, die immer noch wie betäubt
neben dem Schaukelstuhl stand, verstand den Rest nicht mehr. In ihren Ohren begann
es zu rauschen und sie war einer Ohnmacht nahe. Kommissar Angermüller, der hinter
seinem Kollegen den Raum betreten hatte, trat zu ihr und sagte etwas. Trude schaute
ihn an, sah, dass er seinen Mund bewegte, aber hörte keines der Worte, die seine
Lippen formten. Er nahm ihren Arm, schob sie sanft zu dem runden Küchentisch, setzte
sie auf einen Stuhl und nahm dann neben ihr Platz. Ganz allmählich ließ das Rauschen
nach und Trude begann auch die Worte zu verstehen.
    »… Und nachdem die Nachricht aus
dem Krankenhaus kam, dass jemand versucht hatte, Krischan Lage umzubringen, wussten
wir, dass auch Sie in Gefahr sind …«
    »Krischan? Wieso Krischan? Was hat
er damit zu tun?«
    Trude war verwirrt. »Wir konnten
ihn noch nicht befragen. Aber es hat sich wohl so zugetragen, dass auch er in der
Nähe des Tatortes war, Frau Schulze ihn zwar bemerkt hat, ihn aber nicht zur Rede
stellen konnte, da er sich in die Wiesen geflüchtet hat. Dabei ist es dann zu seinem
Sturz in den Graben gekommen.«
    Angermüller sah Trude ernst an und
nickte bedächtig.
    »Wir sind ja, scheint’s, gerade
zum rechten Zeitpunkt gekommen. Das hätt recht brenzlig für Sie werden können, Frau
Kampmann. Jetzt ist es aber vorbei.«
    »Ja, es ist vorbei«, wiederholte
Trude wie unter Hypnose und sah Iris’ schmale, zerbrechlich wirkende Gestalt, wie
immer in kerzengerader Haltung und erhobenen Hauptes, in Begleitung des anderen
Kommissars die Wohnung verlassen. Sie sah zu Angermüller.
    »Aber Iris hätte mir nichts getan,
bestimmt nicht.«
     
    In gemächlichem Tempo rollten Jansen und Angermüller über die Autobahn
in Richtung Lübeck. Am wolkenfreien Himmel blinkten die Sterne – eine kalte Nacht
kündigte sich an. Jansen hatte das Radio eingeschaltet. Leise summte er die Melodien
mit, meist ziemlich falsch, und klopfte mit den Daumen auf dem Lenkrad den Takt
dazu. Er war mit sich und der Welt im Reinen. Sie hatten ihren Fall gelöst, die
Täterin war auf dem Weg in die Untersuchungshaft und sie auf dem Weg in den Feierabend.
    Natürlich war auch Angermüller zufrieden,
den Fall erfolgreich abgeschlossen zu haben und darüber, dass er recht behalten
hatte und die sympathische Trude Kampmann nicht nur eine Seelenverwandte war, was
das Kochen anbetraf, sondern dazu auch noch unschuldig. Doch vor allem musste er
immer wieder über die Frau nachdenken, die nun wohl die erste Nacht ihres Lebens
und danach noch viele weitere hinter Gefängnismauern zubringen würde. Als er ihr
zum ersten Mal als Zeugin begegnet war, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, einer
Mörderin, noch dazu einer mehrfachen, gegenüber zu stehen. Wie dünn war doch das
Eis, das den Menschen vom Verbrechen trennte. Wie viele Enttäuschungen, Verletzungen,
Demütigungen konnte ein Mensch ertragen, bis er es nicht mehr aushielt und zum Mörder
wurde? Jeder konnte in eine Situation kommen, in der er diese Grenze überschreiten
würde, wenn auch seine Schwiegermama das ganz anders sehen würde. Herkunft, Bildung,
ein ordentliches Elternhaus – es gab keine Garantie für den geraden Weg. Und deswegen
hatte sein Beruf auch immer Konjunktur. Auch wenn es ihn manchmal frustrierte, immer
nur mit der Nachsorge des Verbrechens befasst zu sein, immer nur den Scherbenhaufen
an menschlichen Existenzen gegenüberzustehen. Er sagte sich dann, dass er es für
die Hinterbliebenen der Opfer tat, für ihr Bedürfnis nach Klarheit, nach Bestrafung,
nach Gerechtigkeit. – Gerechtigkeit? Was für ein großes Wort!
    »Ach, Angermüller, hör doch auf!«,
schalt er sich in solchen Momenten dann selbst.
    »Du, Claus?«
    »Was is los, Schorsch?«
    »Ich hab Hunger!«
    »Na,
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