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Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Titel: Orphan 1 Der Engel von Inveraray
Autoren: Karyn Monk
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wollte sehen, wie Freude ihr hübsches Antlitz erstrahlen ließ und sich die zarten Linien um ihre Augen in Lachfältchen verwandelten.
    „Nein", murmelte er gequält. Gewiss würde er an inneren Blutungen sterben, doch die Vorstellung berührte ihn kaum. Sein Leben auf dem Steinboden auszuhauchen, während dieses himmlische Wesen ihn mit zärtlicher Sorge betrachtete, war weitaus angenehmer, als am folgenden Tag vor den Augen einer johlenden Menge gehängt zu werden. Er blickte ihr eindringlich in die Augen und flehte sie wortlos an, bei ihm zu bleiben. Er wagte nicht einmal zu blinzeln - aus Angst, sie könne entschwinden und er müsse das, was von seinem jämmerlichen Leben noch übrig war, allein durchstehen.
    Sie legte die Hand auf seine stopplige Wange und strich dann behutsam über seine fiebrige Stirn. Ihre Berührung war sanft, kühlend und beruhigend. Auf wundersame Art ließ sie neue Hoffnung in ihm aufkeimen. Es muss das Fieber sein, dachte er enttäuscht. Für ihn gab es keine Hoffnung mehr.
    „Dieser Mann ist schwer krank", erklärte sie, ohne die Augen von den seinen abzuwenden. „Er glüht vor Fieber und ist schwer misshandelt worden. Sie müssen auf der Stelle einen Arzt kommen lassen."
    Der Wärter lachte prustend.
    Governor Thomson zeigte nur wenig mehr Anstand. Sein mitleidiger Blick gab ihr zu verstehen, dass sie in seinen Augen völlig ahnungslos war, was diese Dinge betraf, und gut daran täte, sie den Männern zu überlassen. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, Miss MacPhail, dass dieser Mann des Mordes für schuldig befunden wurde und morgen früh gehängt wird. Da es sich bei seiner Tat um ein Kapitalverbrechen handelt und das Urteil bereits in wenigen Stunden vollstreckt wird, kann ich den Gefängnisarzt nicht guten Gewissens mit der Bitte belästigen, ihn zu untersuchen - erst recht nicht angesichts der Tatsache, dass der Gefangene nicht lange genug leben wird, um von einer wie auch immer gearteten Behandlung zu profitieren."
    Ein Ruck ging durch den Körper der jungen Frau, doch sie achtete darauf, dass ihr Gesichtsausdruck gefasst blieb. Das Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte, war erschüttert worden, kein Zweifel. Als sie unwillkürlich die Hand fortzog, kam es Haydon vor, als sei das zarte Band des Mitgefühls, das ihn mit ihr verbunden hatte, jäh zerrissen, und er fühlte sich unendlich verloren.
    „Nein", stieß er hervor, packte sie am Handgelenk und zog sie wieder zu sich.
    Furcht flackerte in ihren Augen auf, und er erkannte seinen Fehler sofort. Er konnte sich unschwer vorstellen, welchen Anblick er bot: ein geprügelter Gefangener, ausgestreckt auf dem Boden einer modrigen Zelle, schmutzig, unrasiert und womöglich im Fieberwahn, der versuchte, sie gegen ihren Willen festzuhalten.
    Verzweifelt schloss er die Augen, die Faust noch immer um ihr zartes Handgelenk geschlossen, jedoch so locker, dass sie sich ihm mühelos hätte entwinden können, wenn sie gewollt hätte.
    Doch sie rührte sich nicht, und ihre Haut unter seinen schmutzigen Fingern fühlte sich kühl und glatt an.
    „Ich bin kein Mörder", murmelte er, obwohl er nicht sagen konnte, warum ihm so viel daran lag, dass sie es wusste.
    Sie zögerte einen Augenblick und betrachtete ihn. „Es tut mir Leid, Sir", erwiderte sie schließlich leise, „doch das ist eine Angelegenheit zwischen Gott und Ihnen." Sie löste sich behutsam aus seinem Griff. „Jack, würdest du mir bitte helfen, diesen Mann auf jene Pritsche dort zu betten?"
    „Ich werd ihn raufheben", brummte der Wärter.
    „Vielen Dank, doch ich glaube, es ist besser, der Junge und ich kümmern uns darum", entgegnete sie bestimmt.
    Jack trat gehorsam neben Haydon. Gemeinsam halfen die Frau und er dem Verletzten auf die Beine und führten ihn zu dem verbliebenen Bett.
    „Wenn Sie keinen Arzt rufen wollen, erlauben Sie mir vielleicht freundlicherweise, meine Dienstmagd zu schicken, damit sie heute Abend nach ihm sieht", bat sie und deckte Haydon mit einer rauen, muffig riechenden Decke zu. „Mir will nicht einleuchten, warum er an seinem letzten Abend kein Recht auf ein wenig Trost und Beistand haben sollte."
    Governor Thomson strich sich unschlüssig über seinen dichten grauen Bart. „Das ist wirklich nicht nötig ..."
    „Es würde gewiss kein gutes Licht auf Sie oder Ihre Anstalt werfen, wenn er sich morgen bei seiner Hinrichtung nicht auf den Beinen halten kann", gab Miss MacPhail zu bedenken. „Es könnte Anlass zu Vermutungen geben
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