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Oracoli (German Edition)

Oracoli (German Edition)

Titel: Oracoli (German Edition)
Autoren: Thomas Becks
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Bürogebäude der Firma Stark Foods war ein typisches Klinkerhochhaus aus den 60er Jahren. Das Haus ließ 1965 Ulf Stark erbauen, der 1990 zweiundsiebzigjährig verstarb. Danach übernahmen seine Söhne Roland und Ferdinand Stark die Firma.
       Es war Dienstag gegen 10 Uhr am Morgen, Cora saß im Vorzimmer zu Roland Starks Büro vor einer Excel-Tabelle, als die Bürotür aufging und Herr Stark den Raum betrat. Er hatte einen teuren italienischen Anzug an und trug eine Designer Brille. »Wenn Sie bitte hereinkommen würden, Frau Lahn«, sagte er, und verschwand gleich wieder ohne Coras Antwort abzuwarten. Cora stand mit weichen Knien und einem mulmigen Gefühl aus ihrem Stuhl auf und ging ins Büro ihres Chefs.
       Das Büro war modern und luxuriös eingerichtet. Die Wände waren mit edlen Tropenhölzern getäfelt, vor ihnen hingen wertvolle abstrakte Gemälde. Die Möbel waren aus Ebenholz und handgefertigt. Der Konferenztisch, der vor einem riesigen Fenster stand, fasste in seinem Ebenholz-Gestell eine große Marmorplatte. Roland Starks größter Stolz aber war der aus dem Stamm eines Mammutbaums gefertigte Schreibtisch. Herr Stark zog einen hinter dem riesigen Schreibtisch stehenden Besucher-Sessel zurück.
       »Bitte nehmen Sie Platz, Frau Lahn.«
       »Danke«, sagte Cora und setzte sich mit dem Gefühl, als nähme sie auf einem elektrischen Stuhl Platz. Nachdem Herr Stark sich ebenfalls setzte, öffnete er eine Schatulle, der er eine Havanna entnahm. Er rollte sie mit Zeigefinger und Daumen, lauschte und roch an ihr, dann schnitt er sich mit einem goldenen Zigarrenschneider ein Mundstück zurecht. Cora musste schlucken. ›Ist das die berühmte Zigarre, die ich gleich verpasst bekomme?‹ Herr Stark öffnete eine Schublade und holte daraus einen Brief, den er Cora herüberschob. Cora musste sich leicht erheben, um ihn im Empfang zu nehmen, ihre Distanz zu Roland Stark betrug schließlich ganze zwei Meter. »Das ist die erste Abmahnung, Frau Lahn«, begann er. »Sie haben durch Ihre nicht angemeldete Nebentätigkeit das Vertrauensverhältnis zwischen uns beiden empfindlich gestört und ich kann so nicht mehr mit Ihnen zusammenarbeiten.« Aus Coras Gesicht entwich das Blut, sie brachte kein Wort heraus. Herr Stark zündete sich mit einem Streichholz die Zigarre an, zog daran und blies eine dicke Wolke in Coras Richtung. »Ab heute arbeiten Sie für meinen Bruder«, fuhr er fort. »Ich habe alles arrangiert, sie tauschen mit Frau Sandweg und nehmen ihren Platz ein.«
       »Aber Frau Sandweg arbeitet nur 24 Stunden, die Woche«, sagte Cora wieder einigermaßen gefasst.
       »Ja, das habe ich auch schon geklärt, für Frau Sandweg ist es kein Problem, einen Tag mehr in der Woche zu arbeiten.«
       »Darf ich denn weiter Taxi fahren?«, wagte Cora zu fragen. Das Gesicht ihres Chefs verdüsterte sich darauf hin. »Natürlich nicht«, sagte er laut. »Alle unsere Mitarbeiter arbeiten nur für uns, das war schon immer so, Frau Lahn, daran wird sich auch nichts ändern. Wenn Sie so hoch verschuldet sind, ist das allein Ihre Privatsache.« Nun bekam Cora mordlustige Gedanken, sagte aber nichts mehr. Das Wenige was sie noch hatte, wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Ihr war klar, dass das Vertrauensverhältnis durch etwas anderes gestört war. Am liebsten würde er sie zum Mond schießen. Sie hatte plötzlich Lust, seine Frau anzurufen, verscheuchte aber sofort wieder den Gedanken. Das lag nicht in Coras Natur.
     
       Cora ging durch einen Flur der Firma, vor sich hielt sie eine graue Plastikkiste, mit der normalerweise die Post transportiert wurde; nun befanden sich ihre sieben Sachen darin. Auf dem Weg zu Ferdinand Starks Büro kam ihr Ingeborg Sandweg entgegen, sie war 10 Jahre älter als Cora und sah wie eine Sekretärin aus den 50ern aus. Ihre grauen Haare waren nach oben zu einem Dutt gebunden. Sie trug eine Brille, deren Fassung die Form von Schmetterlingsflügeln hatte. Ihre altmodische Kleidung versetzte die Arbeitskollegen ständig ins Staunen, sie fragten sich, welche Firma wohl so was noch herstellte. Man munkelte, sie kenne jemanden, der im Theaterfundus arbeitet. Ingeborg Sandweg trug ebenfalls eine graue Kiste vor sich her. »Viel Spaß mit dem Spinner«, sagte sie zu Cora. »Guten Morgen Frau Sandweg, wieso "Spinner"?«, fragte Cora erstaunt. »Gucken Sie mich an, Frau Lahn, meinten Sie wirklich, dass ich mich so kleiden würde? Der Typ hat einen Nostalgietick. Ich habe auf seinen Wunsch
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