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Oracoli (German Edition)

Oracoli (German Edition)

Titel: Oracoli (German Edition)
Autoren: Thomas Becks
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kann doch jetzt nicht einfach abhauen.‹ Sie fühlte sich plötzlich wie gelähmt. Coras Chef löste sich von der Prostituierten und kam schnurstracks auf sie zu gelaufen. Der Türöffner summte, Roland Stark drückte die Gittertür auf und stand direkt vor Cora. Mit seinen 60 Jahren machte er noch einen recht stattlichen Eindruck. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen starrte er erst Cora, dann das Taxi, und schließlich wieder Cora an. »Frau Lahn?«
       »Herr Stark!«          
       »Ich, … ich wusste nicht, dass Sie Taxi fahren«, stotterte Herr Stark.
       »Sie wissen ja, Herr Stark, meine Schulden, ich brauche jeden Cent«, sagte sie mit einem unsicheren Lächeln. »Ja, ich weiß«, gestand er mit steifer und noch geschockter Miene. »Bitte fahren Sie mich nach Hause, Sie wissen ja, wo ich wohne«, sagte er und setzte sich auf die rechte Seite der Rückbank, um von Cora den größten Abstand zu haben. Die peinliche Stille, die dann im Taxi herrschte, hielt noch bis zu Starks Zuhause an. Coras Chef bedankte sich mit einem üppigen Trinkgeld für diese Fahrt.
     
       Am Montagmorgen traf Cora Ludwig Eisen in ihrer Küche. Ludwig Eisen war Coras Untermieter.
    Er frühstückte sonst in seinem eigenen Zimmer, doch seitdem sie Taxi fuhr, saß er montags bei ihr in der Küche und hörte sich die Geschichten an, die Cora bei ihren Taxifahrten am Wochenende erlebte.
       Sie erzählte gerne von ihren Nachtschichten und war froh, dass ihr jemand zuhörte. Sie könne das Erlebte dabei verarbeiten und danach besser schlafen, verriet sie ihm einmal. Für den alten Ludwig war es spannender, als die Zeitung zu lesen und er freute sich jedes Mal auf den Montagmorgen. Doch diesmal war alles anders. Ludwig war gerade mit dem Frühstück fertig und trank noch eine Tasse Kaffee, als Cora, später als sonst, frisch geduscht, in ihrem Morgenmantel erschien. »Ludwig, Sie glauben nicht, was mir heute Nacht passiert ist.« Sie lief völlig aufgekratzt hin und her, um sich ihr Frühstück zu machen. Er kannte sie so nicht. »Sind sie überfallen worden?«
       »Nein, schlimmer, ich hab' meinen Chef gefahren. Den habe ich am Puff aufgenommen. Jetzt sind Sie dran, Ludwig.«
       »Hm«, machte er nur. Ja, was sollte er ihr sagen, Ludwig Eisen war 79 Jahre alt und war in seinem Leben nie einer geregelten Arbeit nachgegangen, deswegen konnte er ihr auch keinen Rat geben, was den Umgang mit "Chefs" anging. »Ja, hm, hm«, äffte sie ihn nach. »Ich gehe morgen zur Arbeit und treffe ihn, ich werde ihn fragen; na Chef, wollen Sie heute wieder vögeln gehen? Ich hab' da noch 'n Paar ganz brauchbare Tipps für Sie, was sagt denn Ihre Gemahlin dazu? Die drückt doch bestimmt beide Augen zu, oder?« Sie nahm ihre Tasse Kaffee, setzte sich zu Ludwig an den Tisch und sah ihm ernst in die Augen.      
       »Verdammt Ludwig, ich hab' kein gutes Gefühl dabei. Ich habe eine Scheißangst um meinen Job. Und ich habe 'ne Scheißangst um mein Haus – um unser Haus.«  In diesen Moment kam Coras Sohn Ingo in die Küche. Er gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und nickte Ludwig müde, aber freundlich zu. Ingo hielt einen Brief in seiner Hand. »Morgen, Herr Eisen«, begrüßte er Ludwig, und dann zu Cora: »Den habe ich für Dich am Samstagmorgen angenommen, ich musste dafür unterschreiben. Ich hab's vergessen Mama, tut mir leid«, sagte er und gab Cora den Brief. Damit verließ er auch schon wieder die Küche.
       Cora betrachtete den geschlossenen Umschlag, klopfte sich damit ein paar Mal auf den linken Handrücken, um ihn schließlich ungeöffnet auf den Küchentisch zu werfen. Sie schaute Ludwig Eisen mit leeren Augen an. »Ist nur vom Finanzamt, Ludwig, ich bin müde«, sagte sie und verschwand.
   Cora schlief an diesem Montagnachmittag, bis sie vom Klingeln des Telefons geweckt wurde. Sie hatte Albträume gehabt und war nass geschwitzt. Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Drei Uhr, Mist«, fluchte sie, setzte sich aufrecht hin und nahm das Telefon ans Ohr. »Ja? — »Katie, natürlich komm' ich mit, ich muss nur noch duschen. Sagen wir so um fünf im Dino? — Ist gut, ich freue mich, Katie.«
       Katie war Coras beste Freundin. Sie hatten beide dasselbe Gymnasium besucht und später zusammen Kunst studiert. Cora lernte dann Gerald, ihren verstorbenen Mann, kennen und brach ihr Studium ab. Katie ist dabei geblieben und wurde Malerin. Sie hielt sich mit ihrer Kunst gerade so über Wasser. Cora
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