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Oracoli (German Edition)

Oracoli (German Edition)

Titel: Oracoli (German Edition)
Autoren: Thomas Becks
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die Sachen seiner Mutter getragen. Jetzt wissen Sie endlich woher die stammen, nicht wahr?« Cora war fassungslos. »Und das haben Sie mitgemacht?«
       »Geld stinkt nicht«, sagte Ingeborg Sandweg hinter vorgehaltener Hand, grinste und ging weiter. »Ich wünsche Ihnen viel Glück«, rief sie Cora noch hinterher. Cora blieb einen Moment stehen und war nicht sicher, ob sie weiter gehen sollte. »Scheiß drauf«, sagte sie schließlich und ging tapfer weiter.
     
       Das Büro war im Stil der 60er Jahre eingerichtet, und Cora hatte das Gefühl, eine Zeitreise unternommen zu haben. Die Wände waren im oberen Bereich holzgetäfelt und bis zu einer Höhe von zwei Metern mit beigefarbenem glänzenden Leder gepolstert. Das Leder war in kleine rechteckige Kissen unterteilt, die an ihren Kreuzpunkten genoppt waren. Der Parkettfußboden roch nach Bohnerwachs und war auf Hochglanz geblockt. Der Konferenztisch war ein übergroßer Nierentisch und hatte eine schwarzweiß  marmorierte Oberfläche. ›Der würde bei eBay glatt zwei Tausend Euro bringen‹, dachte Cora. Die schnörkelfreien Stühle, die davor standen, waren mit dem gleichen Leder gepolstert wie die Wände. Auf der niedrigen Fensterbank vor dem großen Fenster stand eine Armada von Gummibäumen.
        Hinter einem großen, aber schlichten Eichenholzschreibtisch, in einem schweren, mit Nieten zusammengehaltenen Lederohrensessel, saß Ferdinand Stark. Er hatte einen Nadelstreifenanzug an und trug eine große Hornbrille. Über ihm hing ein Portrait seines Vaters Ulf. Das Gemälde musste aus der Zeit stammen, als Ulf Stark zirka 64 Jahre alt gewesen war. So alt wie Ferdinand, der unter dem Bild wie eine Reinkarnation seines Vaters aussah. Durch seine wenigen ergrauten Haare und sein fülliges Gesicht wirkte er allerdings älter.
       Ferdinand Stark erhob sich schwerfällig aus seinem Sessel und ging Cora entgegen. Dann stand er vor ihr, musterte sie einen Moment und nahm schließlich ihre rechte Hand in die seine. Nun beugte er sich vor, um ihr einen Handkuss zu geben. Cora verspürte Erleichterung, dass die Lippen ihres neuen Chefs ihre Hand nicht berührten, sondern dezent darüber blieben. Ein Geruch von Eau de Tabak umnebelte sie.
       »Herzlich willkommen«, sagte er freundlich und lächelte Cora an. »Das ist ihr neuer Arbeitsplatz«, fuhr er fort und wies mit einladender Geste auf einen kleineren Schreibtisch, der im rechten Winkel zu seinem Schreibtisch stand. »Das ist ab heute ihr kleines Reich, Frau Lahn, ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen«, sagte er fröhlich und zog ihr den Bürostuhl zurück. Cora lächelte freundlich zurück. »Danke«, sagte sie knapp und setzte sich an ihren Platz. Sie schaute sich ihren Schreibtisch an und stellte mit Entsetzen fest, dass ihr hier die letzten 40 Jahre Entwicklung der Bürotechnik vorenthalten wurde. Die Gegensprechanlage schien noch mit Dampf zu funktionieren und Cora fragte sich, wie die wohl mit Roland Starks modernem Gerät zusammen funktionieren konnte. Einen PC gab es nicht, dafür stand eine alte Olympia-Schreibmaschine vor ihr, die Cora noch aus den 80er Jahren kannte, mit der hatte sie damals in Gelsenkirchen ihren Schreibmaschinenkurs absolviert. Daneben stand eine Tonbandmaschine mit riesigen Bändern. Auch ein schwarzes Telefon mit Wählscheibe und Tasten zum Weiterleiten der Anrufe fehlte nicht. Und ein vergilbter Stenoblock lag dort. ›Verdammt‹, dachte Cora, ›wer kann denn heute noch Steno?‹
       Ferdinand Stark bemerkte Coras plötzlichen Unmut und fasste ihr an die Schultern. »Bitte verzweifeln Sie nicht, Frau Lahn«, sagte er väterlich. »Ich weiß, dass Sie Ihr Zurückfinden in die gute alte Zeit nicht so von heute auf morgen bewerkstelligen können. Lassen Sie sich Zeit dabei, ich lasse Ihnen Zeit. Zeit, die es früher noch zuhauf gab, Frau Lahn, Zeit«, schwärmte er mit verzücktem Blick.
     
       Cora saß in ihrem alten Opel Vectra, um nach Hause zu fahren. Sie hatte den Wagen noch gar nicht gestartet. Im Auto war es heiß wie in einem Backofen, sie kurbelte erst mal alle Fenster herunter und war sofort nass geschwitzt. Eine Erkältung war das letzte, was ihr jetzt noch fehlte. Sie blieb entspannt sitzen und wartete geduldig, dass sich die extreme Hitze verflüchtigte. Zeit, dachte sie bitter. Das Finanzamt ließ ihr aber keine Zeit, sie müsse die 30.653 Euro und 25 Cent sofort zahlen, stand im letzten Brief. Was konnte sie jetzt tun, überlegte sie. Sie
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