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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei
Autoren: John Lutz
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sein.«
    Renz lächelte, was ihm das Aussehen eines magenkranken Bluthundes verlieh. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, doch er sah immer noch aus wie ein magenkranker Bluthund. »Ich hab es Ihnen nie gesagt, aber es tut mir wirklich leid, die Scheidung von May und so. Sehen Sie sie noch oft? Oder Ihre Tochter? Laura heißt sie, oder?«
    »Lauri. May will mich nicht sehen. Es gibt auch keinen Grund dafür, außer Lauri. Und Lauri weiß nicht so genau, was sie will. Was sie von mir denken soll.«
    »Haben Sie ihr Ihre Sicht erklärt?«
    »Nein, nicht in letzter Zeit. Sie hört auf May, und die sagt ihr, was sie denken soll. Sie wohnen jetzt in L. A. Sind dorthin gezogen, um von mir wegzukommen.«
    Renz schüttelte den Kopf. »Das einzig Positive, was man über die Ehe sagen kann, ist, dass sie eine Institution ist. Wie Gefängnisse oder Psychiatrien. Ich war sechsundzwanzig Jahre verheiratet, bevor meine Frau sich mit meinem Bruder aus dem Staub gemacht hat.«
    »Ich hab davon gehört«, sagte Quinn. »War ein guter Lacher damals.«
    »Selbst ich kann jetzt darüber lachen. So ändern sich die Dinge in dieser wunderbaren Welt. Selbst Ihre beschissene Lage könnte sich ändern.«
    Quinn wusste, welche Lage Renz meinte. Vor vier Jahren hatte Quinn seinen Ruf, seinen Job und seine Familie verloren, als er ungerechtfertigterweise beschuldigt wurde, ein dreizehnjähriges Mädchen vergewaltigt zu haben. Er hatte das Mädchen nie zuvor gesehen – und schon gar nicht missbraucht. Er wusste, warum man ihn hereingelegt hatte. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wie.
    Er war ein guter Cop gewesen, sogar ein richtig guter, der überall aufgrund seiner Zähigkeit und seines cleveren Herangehens an die Fälle geschätzt wurde. Er gab nie auf. Er gab nie klein bei. Er brachte Ergebnisse.
    Am Ende war er zu gut gewesen, um kleine Ungereimtheiten bei der Untersuchung des Mordes an einem Drogendealer zu übersehen. Quinn hatte tiefer gebohrt und war auf ein Netzwerk aus Bestechung und Korruption gestoßen, in das viele seiner Kollegen verstrickt waren. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber genau wie ihnen war ihm klar, dass er sich mit seinem Verdacht irgendwann an die Dienstaufsichtsbehörde wenden musste. Quinn hatte mit seinem Vorgesetzten, Captain Vince Egan, gesprochen und ihm genau das gesagt.
    Doch jemand anderes hatte sich zuerst an die Dienstaufsichtsbehörde gewandt. Wegen der brutalen Vergewaltigung eines jungen Mädchens in Brooklyn. Er war unschuldig. Die Anschuldigungen waren haltlos.
    Man zeigte ihm einen Knopf, den man am Tatort gefunden hatte und der so aussah wie der, der an dem Hemd fehlte, das er am Abend der Tat getragen hatte. Was ihn noch mehr erstaunte war, dass ihn das Mädchen bei einer Gegenüberstellung anhand einer gezackten Narbe an seinem rechten Unterarm identifizierte, obwohl der Vergewaltiger eine Strumpfmaske getragen hatte.
    Quinn wusste, dass es sich bei den Anschuldigungen nicht um ein Missverständnis handelte. Es handelte sich um eine Präventivmaßnahme.
    Sie konfiszierten den Computer von seinem Schreibtisch im Hauptquartier. Darauf befanden sich drei pikante E-Mails, die er nie zuvor gesehen hatte. Außerdem war auf der Festplatte des Computers die schlimmste Art von Kinderpornographie gespeichert.
    Es sähe schlimm für Quinn aus, sagte man ihm. Und er wusste, dass es schlimm war . Er durchschaute das Spiel. Er wusste, was als Nächstes kam.
    Sie würden ihm einen Ausweg aus seiner misslichen Lage anbieten.
    Und so geschah es. Er hatte die Wahl zwischen vorzeitigem Ruhestand und einer Anklage wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen.
    Quinn ging auf, dass es Egan gewesen sein musste, der den korrupten Cops den Hinweis gegeben hatte, und dass er selbst Teil der Korruption war.
    Und wahrscheinlich war es auch Egan, der Quinn davor bewahrte, angeklagt zu werden, um so die Kontrolle über die dunklen Machenschaften innerhalb des NYPD zu behalten. Quinn, dem klar war, dass ihm ohnehin nicht geglaubt werden würde, begriff, was vor sich ging. Er war Realist.
    Also behielt er seine magere Rente, verlor aber seinen Job und alles andere auch.
    Alles.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Zerstörung so schnell und allumfassend sein würde. Sein Ruf, seine Glaubwürdigkeit, seine Ehe hatten sich von einem Moment auf den anderen in Luft aufgelöst.
    Und nicht nur das. Plötzlich war er ein Ausgestoßener, der nicht mehr besaß als seine Rente und keine Chance hatte, einen Job
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