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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich
Autoren: Laura Wulff
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strampelte das Kätzchen, um nicht unterzugehen. Storm spürte schon Darraghs Hände auf ihren Schultern, doch sie kümmerte sich nicht um ihn, sondern streckte ihre Arme nach Moon aus. Sie packte die Katze und warf sie in die Dunkelheit. Mehr konnte sie nicht tun, denn im Gegensatz zu Moon hatte Storm keine sieben Leben, und Darraghs Hände schlossen sich bereits um ihren Hals.
    Im nächsten Moment drückte er ihren Kopf unter Wasser.
    Storm hielt die Luft an. Sie trat Darragh, aber er lachte nur. Das konnte sie selbst unter der Oberfläche hören. Sie versuchte seine Hände zu lösen, aber sie lagen wie ein Stahlring um ihren Hals. Wider Erwarten holte er sie hoch, nur um ihren Kopf nach einem Atemzug wieder in das heiße Wasser zu stoßen. Das war seine Auffassung von Amüsement.
    Ihr Gesicht brannte, aber noch kochte das Wasser nicht einmal. Sie hielt ihre Augen geschlossen, weil sie sich besser auf ihre Gegenwehr konzentrieren konnte, doch ihre Schläge wollten ihn einfach nicht an einer empfindlichen Stelle treffen. Ziellose Hiebe. Wenn sie nur seine Nase erwischte oder in seine Augen stechen könnte. Diesmal zog er ihren Kopf nicht so schnell wieder aus dem Wasser. Die Luft in ihren Lungen wurde knapp. Sie spürte die ersten Anzeichen von Panik.
    Der Druck auf ihren Nacken ließ nach. Sie tauchte aus dem Wasser auf und atmete gierig ein. Schon war ihr Kopf wieder unter der Oberfläche. Sie schluckte Wasser, musste husten und würgte. Luft, sie brauchte dringend Luft. Sie hatte das Gefühl zu ersticken, weil ihre Atmung durch den Husten durcheinandergeraten war. Ihr Zwerchfell schmerzte. Ihre Hände fassten den Rand des Kochtopfs. Er war heiß, aber sie widerstand dem Drang, sofort wieder loszulassen und stemmte sich ab. Gegen Darragh kam sie jedoch nicht an. Der Topf verbrühte lediglich ihre Handflächen. Panisch zappelte sie. Sie strampelte und schlug auf die Wasseroberfläche. Ihre Lungen verkrampften sich. Bis ihre Kräfte erlahmten. Sie wehrte sich nicht länger. Alles rückte in weite Ferne: das Wasser, der Wachsmörder, ihr eigener Körper …
    Als Darragh Storm aus dem Wasser zog, einen Arm um ihre Taille schlang, um sie aufrecht zu halten, und mit der anderen Hand gegen ihre Stirn drückte, so dass ihr Hinterkopf nun an seiner Schulter lehnte, empfand sie tatsächlich Dankbarkeit. Sie füllte ihre Lungen mit Luft, ließ ihre Augen jedoch geschlossen, weil sie so erschöpft war wie schon lange nicht mehr. Ihr Brustkorb tat weh, ihr Gesicht brannte, und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie gegen Darragh gewinnen konnte.
    Er schleppte sie zurück in den Panic Room und schloss wieder die Tür. Storm konnte ihn nicht daran hindern, denn sie brauchte Zeit, um sich zu erholen, doch die hatte sie nicht. Innerlich kämpfte sie, nicht mit Darragh, sondern mit sich selbst. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Warum lag sie dann nur wie ein begossener Pudel zu seinen Füßen, anstatt wegzurennen, wo er sie doch losgelassen hatte, um das Gas für den Bunsenbrenner aufzudrehen?
    „Du hast behauptet, ich hätte dich verführt, aber ich war erst fünf Jahre alt, Mom. Fünf!“, sagte er in einer weinerlichen Stimme, die mehr an den Jungen erinnerte, der er einmal gewesen war. Dann änderte sich seine Stimmlage auf einmal, wurde tiefer und verbitterter. „Du hast meine Vorhaut zurückgeschoben, nachdem du mich gevögelt hattest, und meinen kleinen Schwanz mit Kerzenwachs begossen – als Sühne und Läuterung. Aber du bist die Sünde, Mom. Du musst leiden, um Buße zu tun, nicht ich.“
    Er schaute auf Storm herunter, und sie sah puren Hass in seinen Augen, Hass auf seine Mutter, die ihn fast sein ganzes Leben lang missbraucht hatte. Endlich zeigte er das Tier in sich, die Bestie, die er in Wirklichkeit war, und nicht der wohlerzogene, reiche Mitbürger Fort Twistdales.
    Langsam, als wäre es ein Ritus für ihn, ein heiliges Zeremoniell, entzündet er das Gas des Bunsenbrenners, mit einem edlen Stabfeuerzeug aus Metall. In diesem Moment wurde er zu Anubis, dem ägyptischen Gott der Todesriten, und er bereitete seine Version der Mumifizierung vor: die Wachsmaske.
    Das entflammte Gas zischte. Storms Blick fiel auf die Butangasflasche, die unter dem Ablagetisch stand und den Bunsenbrenner speiste. Und plötzlich hatte sie eine Idee. Mit zittrigen Fingern holte sie ihre Lucky Strikes aus der Hosentasche. Die Packung war feucht, und die Zigaretten waren zerbrochen. Aber das machte nichts, es war egal. Storm kümmerte
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