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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow
Autoren: Glenn Meade
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jedem qualvollen Schritt betete er, dass es ihm gelang, die Eisenbahnschienen zu erreichen. Die Stiefel und die Gefängnisuniform waren sein einziger Schutz vor der furchtbaren Kälte, und der grobe Stoff scheuerte wie Schmirgelpapier auf seiner Haut.
    Ein Gewehrschuss hallte durch die Luft, dann ein zweiter, und beide Kugeln zischten nur Zentimeter an seinem Kopf vorbei. Andrew rang nach Atem und warf einen flüchtigen Blick zurück. Mindestens zwei Dutzend bewaffnete Wachen rannten hinter ihm kreuz und quer durch den Wald.
    Andrew sah die Bahnschienen, die in diesem Waldstück eine Kurve beschrieben. Das schrille Pfeifen eines Zuges ertönte. Es wurde lauter, und Andrew starrte wie gebannt auf die Gleise. Er war weniger als hundert Meter von den Bahnschienen entfernt, und er wusste, dass der Zug seine einzige Hoffnung auf Freiheit war. Doch es musste ihm gelingen, auf den Zug aufzuspringen, wenn dieser das Tempo in der Kurve verlangsamte.
    Achtzig Meter.
    Siebzig.
    Die Kugeln peitschten ihm um die Ohren.
    Sechzig.
    Fünfzig.
    Andrew lief weiter, und jeder Schritt durch den hohen Schnee war eine entsetzliche Qual. Er hatte unerträgliche Schmerzen am ganzen Körper, als würden tausend Dolche seine Haut durchbohren.
    Die nächste Salve schlug in die Bäume zu seiner Rechten ein.
    Und dann geschah es.
    Gerade rannte Andrew noch auf die Bahnschienen zu, und im nächsten Augenblick hatte er keinen Boden mehr unter den Füßen. Ein riesiges Loch tat sich vor ihm in der Erde auf. Er schrie auf, verlor das Gleichgewicht und fiel wie ein Stein in den Abgrund.
    Als Andrew in die offene Grube stürzte, schlug er mit der Schulter auf und hörte Knochen brechen. Er spürte den brennenden Schmerz in der Schulter, als er benommen vom Aufprall versuchte, sich aus dem Gewirr von Ästen zu befreien.
    Plötzlich erkannte Andrew zu seinem großen Entsetzen, dass es keine Äste, sondern ein Haufen gefrorener Leichen waren.
    Er lag in einer Grube, in der die Lagerwärter die Toten entsorgten – Hunderte vereister Leichen, deren Glieder zu einem schaurigen Geflecht verschlungen waren. Andrew versuchte, sich aus der Grube zu befreien, während erneut Gewehrfeuer und Hundegebell durch den Wald hallten. Als es Andrew trotz der stechenden Schmerzen in der Schulter gelang, aus der Grube zu klettern, hörte er wieder das schrille Pfeifen des Zuges.
    Eine schwarze Dampflokomotive mit einem großen roten Stern auf der Stirnseite bog wie ein riesiges stählernes Ungeheuer auf Schienen ratternd um die Kurve im Wald. Andrew schöpfte neuen Mut und rappelte sich auf, den Blick starr auf die Gleise gerichtet.
    Den Wachmann vor ihm zwischen den Bäumen, der sich hinkniete und auf ihn zielte, sah er nicht.
    Der Knall eines Gewehrschusses hallte durch den Wald. Im nächsten Augenblick wurde Andrew von der Kugel niedergestreckt. Er wurde rücklings wieder in die schauerliche Grube geschleudert, und dann umgab ihn nur noch Dunkelheit. Stille, leere, schmerzlose Dunkelheit.
    Die schwarze Lokomotive mit dem roten Stern auf der Stirnseite und den roten Fahnen, die an den Seiten der Waggons wehten, kam quietschend zum Stehen.
    Inmitten einer Dampfwolke wurde eine der Türen geöffnet, und ein Mann mit harten Gesichtszügen, stechenden blauen Augen und blondem Haar sprang mit einem Nagant-Revolver in der Hand in den Schnee. Er trug einen Ledermantel, der bis zu den Knöcheln reichte, einen Schal, Handschuhe und die lederne Schirmmütze eines Offiziers. Er sah die Wachen, die aus dem Wald kamen und mit den Gewehren im Anschlag auf die Grube zuliefen.
    Einer von ihnen war ein Feldwebel mit einem derben Gesicht, das seine slawische Herkunft verriet. Eine zusammengerollte Nagaika, eine Kosakenpeitsche, hing an dem Ledergürtel seiner Uniform. Er richtete das Gewehr auf den bewusstlosen Gefangenen und legte den Finger auf den Abzug.
    Der Offizier, der von der Lokomotive gesprungen war, hob die rechte Hand und feuerte mit dem Revolver einen Schuss ab. Die Kugel traf den Feldwebel im linken Arm, worauf ihm das Gewehr entglitt und er zu Boden ging.
    »Feuer einstellen! Das ist ein Befehl!«, brüllte der Offizier und rannte auf den Feldwebel zu. »Sie Idiot! Wie ist Ihr Name?«
    »Feldwebel Mersk, Kommissar Jakow.« Der Feldwebel, ein großer, kräftig gebauter Ukrainer mit dickem schwarzen Schnauzer trug eine schmutzige Schaffellmütze.
    »Ich habe strikte Order erteilt, dass der Gefangene lebend gefasst werden soll.«
    Der Feldwebel presste eine Hand auf seinen
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