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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama
Autoren: Richard Wagner
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Drange die Bitterkeit dieses Geständnisses in sich zu einem berauschenden Genusse umzuwandeln, der ihn mit trunkenem Mute zu dem Unternehmen treibt, das Unmögliche zu ermöglichen; denn er allein ist von zwei künstlerischen Gewalten gedrängt, denen er nicht widerstehen kann und von denen er sich willig zum Selbstopfer treiben läßt. [Fußnote: Ich muß hier ausdrücklich meiner selbst Erwähnung tun, und zwar lediglich aus dem Grunde, den in meinem Leser etwa entstandenen Verdacht von mir abzuweisen, als ob ich mit der hier geschehenen Darstellung des vollendeten Dramas gleichsam einen Versuch zur Verständlichung meiner eigenen künstlerischen Arbeiten in dem Sinne unternommen hätte, daß ich die von mir gestellten Anforderungen in meinen Opern erfüllt, also dies gemeinte Drama selbst schon zustande gebracht hätte. Niemand kann es gegenwärtiger sein als mir, daß die Verwirklichung des von mir gemeinten Dramas von Bedingungen abhängt, die nicht in dem Willen, ja selbst nicht in der Fähigkeit des einzelnen, sei diese auch unendlich größer als die meinige, sondern nur in einem gemeinsamen Zustande und in einem durch ihn ermöglichten gemeinschaftlichen Zusammenwirken liegen, von denen jetzt gerade nur das volle Gegenteil vorhanden ist. Dennoch gestehe ich, daß meine künstlerischen Arbeiten wenigstens für mich von großer Wichtigkeit waren, denn sie müssen mir leider, so weit ich um mich sehe, als die einzigen Zeugnisse eines Strebens gelten, aus dessen Erfolgen, so gering sie sind, einzig das zu erlernen war, was ich – aus Unbewußtsein zum Bewußtsein gelangend – erlernte und – hoffentlich zum Heile der Kunst – jetzt mit voller Überzeugung aussprechen kann. Nicht auf meine Leistungen, sondern auf das, was mir aus ihnen so zum Bewußtsein gekommen ist, daß ich es als Überzeugung aussprechen kann, bin ich stolz.]  –
    Werfen wir noch einen Blick auf unsre musikalisch-dramatische Öffentlichkeit, um aus ihrem Zustande uns deutlich zu machen, warum das von uns gemeinte Drama unmöglich jetzt zur Erscheinung kommen kann, und wie das dennoch gewagte nicht Verständnis, sondern nur höchste Verwirrung hervorrufen müßte.
     
    Wir mußten als unerläßliche Grundlage eines vollendeten künstlerischen Ausdruckes die Sprache selbst erkennen. Daß wir das Gefühlsverständnis der Sprache verloren haben, mußten wir als einen durch nichts zu ersetzenden Verlust für die dichterische Kundgebung an das Gefühl begreifen. Wenn wir nun die Möglichkeit der Wiederbelebung der Sprache für den künstlerischen Ausdruck darlegten und aus dieser dem Gefühlsverständnisse wieder zugeführten Sprache den vollendeten musikalischen Ausdruck ableiteten, so fußten wir allerdings auf einer Voraussetzung, die nur durch das Leben selbst, nicht durch den künstlerischen Willen allein verwirklicht werden kann. Nehmen wir aber an, daß der Künstler, dem die Entwickelung des Lebens nach seiner Notwendigkeit aufgegangen ist, dieser Entwickelung mit gestaltendem Bewußtsein entgegenzukommen habe, so wäre dessen Streben, seine prophetische Ahnung zur künstlerischen Tat zu erheben, gewiß als vollkommen gerechtfertigt anzuerkennen und jedenfalls ihm das Lob zuzuerteilen, für jetzt nach einer vernünftigsten künstlerischen Richtung sich bewegt zu haben.
    Überblicken wir nun die Sprachen der europäischen Nationen, die bisher einen selbsttätigen Anteil an der Entwickelung des musikalischen Dramas, der Oper, genommen haben – und diese sind nur Italiener, Franzosen und Deutsche –, so finden wir, daß von diesen drei Nationen nur die deutsche eine Sprache besitzt, die im gewöhnlichen Gebrauche noch unmittelbar und kenntlich mit ihren Wurzeln zusammenhängt. Italiener und Franzosen sprechen eine Sprache, deren wurzelhafte Bedeutung ihnen nur auf dem Wege des Studiums aus älteren, sogenannten toten Sprachen verständlich werden kann: man kann sagen, ihre Sprache – als der Niederschlag einer historischen Völkermischungsperiode, deren bedingender Einfluß auf diese Völker gänzlich geschwunden ist – spricht für sie, nicht aber sprechen sie selbst in ihrer Sprache. Wollen wir nun annehmen, daß auch für diese Sprachen ganz neue, von uns noch ganz ungeahnte Bedingungen zur gefühlsverständlichen Umgestaltung aus einem Leben hervorgehen könnten, das, frei von allem historischen Drucke, in einen innigen und beziehungsvollen Verkehr mit der Natur tritt – und dürfen wir jedenfalls auch versichert sein, daß
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