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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama
Autoren: Richard Wagner
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– sowohl nach der Seite der Schönheit als nach der des Mutes hin: er will feig und gemein sein, und diesem Willen hat sich die Kunst zu fügen – sonst, wie gesagt, ist ihm alles recht. – Wenden wir uns eilig von seinem Anblicke ab! –
     
    Wollen wir mit dieser Welt Verträge schließen? – Nein! Denn auch die demütigendsten Verträge würden uns als Ausgeschlossene hinstellen. –
    Hoffnung, Glauben und Mut können wir nur schöpfen, wenn wir auch den modernen Staatsphilister nicht als ein bedingendes allein, sondern ebenfalls als ein bedingtes Moment unsrer Zivilisation erkennen und nach den Bedingungen auch dieser Erscheinung in einem Zusammenhange forschen, wie wir es mit Bezug auf die Kunst hier getan haben. Nicht eher gewinnen wir Glauben und Mut, als bis wir im Hinhorchen auf den Herzschlag der Geschichte jene ewig lebendige Quellader rieseln hören, die verborgen unter dem Schutte der historischen Zivilisation, in ursprünglichster Frische unversiegbar dahinfließt. Wer fühlte jetzt nicht die furchtbar bleiche Schwüle in den Lüften, die den Ausbruch eines Erdbebens vorausverkündigt? Die wir das Rieseln jener Quellader hören, sollen wir uns vor dem Erdbeben fürchten? Wahrlich nicht! Denn wir wissen, es wird nur den Schutt auseinanderreißen und dem Quelle das Strombett bereiten, in dem wir seine lebendigen Wellen auch fließen sehen werden.
    Wo nun der Staatsmann verzweifelt, der Politiker die Hände sinken läßt, der Sozialist mit fruchtlosen Systemen sich plagt, ja selbst der Philosoph nur noch deuten, nicht aber vorausverkünden kann – weil alles, was uns bevorsteht, nur in unwillkürlichen Erscheinungen sich zeigen kann, deren sinnliche Kundgebung niemand sich vorzuführen vermag –, da ist es der Künstler, der mit klarem Auge Gestalten ersehen kann, wie sie der Sehnsucht sich zeigen, die nach dem einzig Wahren – dem Menschen – verlangt. Der Künstler vermag es, eine noch ungestaltete Welt im voraus gestaltet zu sehen, eine noch ungewordene aus der Kraft seines Werdeverlangens im voraus zu genießen. Aber sein Genuß ist Mitteilung, und – wendet er sich ab von den sinnlosen Herden, die auf dem graslosen Schutte weiden, und schließt er um so inniger die seligen Einsamen an die Brust, die mit ihm der Quellader lauschen –, so findet er auch die Herzen, ja die Sinne, denen er sich mitteilen kann. Wir sind Ältere und Jüngere : denke der Ältere nicht an sich, sondern liebe er den Jüngeren um des Vermächtnisses willen, das er in sein Herz zu neuer Nahrung senkt – es kommt der Tag, an dem einst dieses Vermächtnis zum Heile der menschlichen Brüder aller Welt eröffnet wird!
     
    Wir sahen den Dichter im sehnsüchtigen Drange nach dem vollendeten Gefühlsausdrucke da anlangen, wo er seinen Vers auf dem Spiegel des Meeres der Harmonie als musikalische Melodie abgespiegelt sah: bis zu diesem Meere mußte er dringen, nur der Spiegel dieses Meeres konnte ihm das ersehnte Bild zeigen, und dieses Meer konnte er nicht aus seinem Willen erschaffen, sondern es war das andere seines Wesens, das, mit dem er sich vermählen mußte, das er aber nicht aus sich bestimmen und in das Dasein rufen konnte. – So kann der Künstler nicht das ihm notwendige, ihn erlösende Leben der Zukunft aus seinem Willen bestimmen und in das Dasein rufen; es ist das andere, ihm Entgegengesetzte, nach dem er sich sehnt, dahin es ihn drängt, was, wenn es sich ihm von einem entgegenstehenden Pole her selbst zuführt, erst für ihn vorhanden ist, seine Erscheinung in sich aufnimmt und ihm erkenntlich wieder zuspiegelt. Das Leben des Meeres der Zukunft kann aber dieses Spiegelbild wiederum nicht aus sich erzeugen: es ist ein Mutterelement, das das Empfangene nur gebären kann. Diesen befruchtenden Samen, der einzig in ihm gedeihen kann, führt ihm nun der Dichter, d. i. der Künstler der Gegenwart, zu: es ist dieser Samen der Inbegriff alles feinsten Lebenssaftes, den die Vergangenheit in ihm sammelte, um als notwendigen befruchtenden Keim ihn der Zukunft zuzuführen, denn diese Zukunft ist nicht anders denkbar, als aus der Vergangenheit bedingt . – Die Melodie nun, die endlich auf dem Wasserspiegel des harmonischen Meeres der Zukunft sich abspiegelt, ist das hellsehende Auge, mit dem dieses Leben aus der Tiefe seines Meergrundes nach dem heiteren Sonnenlichte heraufblickt. der Vers , dessen Spiegelbild sie nur ist, ist aber das eigenste Gedicht des Künstlers der Gegenwart, das er nur aus seinem
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