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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger
Autoren: Strohmeyer Anette
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fiel.

1. Kapitel

    2009, Nord-Minnesota, St. Louis County, State Forest Road

    Der Motor des Fort Shelby Mustang gab ein sattes Brüllen von sich, als er das Gaspedal durchdrücke. Zufrieden stellte Paul Eckbert Ondragon fest, dass hinter ihm eine große Staubwolke von der trockenen Schotterstraße aufstieg. Geschickt wich er einem Schlagloch aus und lenkte das Auto wieder auf die Mitte der Straße, die sich durch die schier endlosen Wälder schlängelte. Seit er vor einer dreiviertel Stunde von der 53 auf die schmale Forest Route abgebogen war, war ihm niemand mehr entgegengekommen. Nicht einmal ein Holzlaster. Das faszinierte Ondragon immer wieder. Welch abgelegene Gegenden es in den USA doch gab. Hier, kurz vor der Grenze zu Kanada gab es nichts als Wald. Wald und Seen. Er fragte sich, was für Menschen das waren, die hier in den weit verstreuten Siedlungen hausten. Gottesfürchtige und hart arbeitende Bürger Amerikas? Seine Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Grinsen. Wohl eher Hillbillies!
    Er wich einem weiteren Schlagloch aus. Heißes Gummi rutschte über dunklen Basaltschotter, und der unkrautüberwucherte Seitenstreifen kam gefährlich nahe. Ondragon lenkte gegen und fing das schlingernde Heck des Mustangs wieder ein. Sein Cowboystiefel trat weiter unbeirrt auf das Gaspedal. Er ließ eine Kaugummiblase platzen und drehte die Musik lauter. Hotel California von den Eagles dröhnte durch das offene Fenster in den dichten Wald und hallte von den hohen Nadelbäumen wieder zurück über das Tal.
    Nach zwei weiteren Meilen machte die Straße einen Knick, das Ufer eines Sees kam in Sicht. Auf der Wasseroberfläche brach sich das Licht der Sonne wie auf zerknitterter Alufolie.
    ‚Hier muss es irgendwo sein’, dachte Ondragon und hielt Ausschau. Die Anfahrtsskizze lag auf dem Beifahrersitz.
    Abrupt wechselte sein Fuß vom Gas auf die Bremse, und das Auto kam schlitternd zum Stehen. Der Mustang protestierte mit einem Schwall Abgasen, die nach vorne schwappten.
    Eine weitere Kaugummiblase platzte, und Ondragon legte den Rückwärtsgang ein. Er fuhr hundert Meter zurück und hielt vor einem Schild.
    Cedar Creek Lodge , 8 Miles sagte es in einer Schrift aus roter Farbe, die wie getrocknetes Blut aussah. Aber wo war die Abzweigung? Ondragon blickte in den Rückspiegel. Keine Menschenseele war zu sehen. Nur noch der Rest der Staubwolke, die sich allmählich auflöste. Er schaltete die Musik aus und fand sich augenblicklich in einer vollkommen anderen Welt wieder: Vögel zwitscherten und Insekten summten. Irgendwo plätscherte ein Bachlauf.
    Sonst nichts.
    Kein Autolärm, keine Hochhäuser, keine Leuchtreklame, kein Starbucks. Es war eine Welt, die dem Kosmos, in dem er lebte, so fern war wie ein fremder Planet. Nur dass hier keine grünen Männchen hausten, sondern Hirsche und Hillbillies.
    „Kommt fast dasselbe bei raus“, dachte Ondragon laut und fuhr wieder an. „Die Abzweigung kommt bestimmt noch.“
    Er behielt Recht. Nach dreihundert Meter sah er sie. Holpernd bog der Mustang auf die Straße ein, die in einem noch schlechteren Zustand war als die vorherige. Ondragon fluchte und lenkte seinen schmucken Oldtimer, der genauso wenig in diese Gegend passte wie der dunkelgraue Anzug, den er trug, um die Schlaglöcher herum. So würde es eine Ewigkeit dauern, bis er die Lodge erreichte.
    „Ich hätte doch den Shuttleservice in Anspruch nehmen sollen.“ Sehnsüchtig wünschte er sich ein kühles Bud , fischte sich stattdessen eine lauwarme Wasserflasche vom Rücksitz und trank sie mit drei großen Zügen leer.
    „Kein Vergleich!“, stieß er noch immer durstig aus und wollte die Flasche schon aus dem Fenster werfen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Diese Flasche kam aus einer anderen Welt. Sie war ein Ufo. Sie hatte hier nichts verloren.
    Plötzlich kreuzte etwas seinen Weg - etwas Großes, Graues. Erschrocken trat Ondragon auf die Bremse und verschluckte dabei seinen Kaugummi. Als der Mustang endlich stand, drehte Ondragon sich um und sah nach hinten auf die Straße.
    Da war nichts, nur aufgewirbelter Staub. Stirnrunzelnd blickte er wieder nach vorn. Er hatte doch eindeutig etwas gesehen. Und es war viel zu groß gewesen, um einfach so zu verschwinden. Wo war es hin? Ein Knacken drang an sein Ohr, und Ondragon wandte den Kopf. Aufmerksam suchte er das undurchdringliche Gestrüpp zu seiner Linken ab. Dort drüben zwischen den Sträuchern und den silbrigen Stämmen der Pinien bewegte sich etwas. Oder
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