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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte
Autoren: A Plichota
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was sie mit einer kleinen Geste erwiderte.
    Plötzlich wurde Oksa von einer Bewegung auf dem Kleid ihrer Großmutter abgelenkt: Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Eindruck, die aufgestickten Rehe würden wild hintereinander herjagen! Wenn ich jetzt auch noch anfange, Gespenster zu sehen … Schluss damit, bitte! Lass mich in der Achten Wasserstoff sein! Bitte, sag Pollock, P-O-L-L-O-C-K, sag es jetzt, betete sie im Stillen, schloss die Augen und drückte sich so fest die Daumen, dass es wehtat.
    Die aufgerufenen Namen wirbelten in ihrem Kopf herum. Einen Moment lang glaubte sie sogar, der Buchstabe P wäre bereits vorbei!
    »Prollock, Oksa«, sagte der Rektor endlich und sah suchend auf.
    Der Klassenlehrer beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Der Schulleiter korrigierte sich: »Entschuldigung. Pollock! Pollock, Oksa, bitte!«, sagte er mit besonderer Betonung auf der ersten Silbe.
    Oksa brachte gerade noch ein »Hier!« hervor. Dann warf sie ihren Eltern einen überglücklichen Blick zu und ging zu Gus.
    »St.-Proximus, wir kommen!«
    Angeführt von Mr McGraw bogen die Schüler der achten Klasse Wasserstoff in einen der breiten Gänge der Schule ein.
    »Wow!«, flüsterte Oksa. »Das ist ja der Wahnsinn!«
    In dem ehemaligen Kloster aus dem 17. Jahrhundert herrschte in der Tat eine ganz besondere Atmosphäre. Verblasste Wappen mit eingemeißelten lateinischen Inschriften bedeckten die Wände der prächtigen Eingangshalle. Die Klassenzimmer waren auf der Längsseite des Klosters in drei von Säulengängen gesäumten Stockwerken angeordnet, die auf den Schulhof hinausgingen. Die Kolonnaden aus schlanken Granitsäulen waren noch erhalten, ebenso die spitzbogenförmigen Bleiglasfenster, durch die mattes buntes Licht fiel.
    »Schau mal«, sagte Gus leise. »Es ist höllisch gut bewacht!«
    Mit dem Blick wies er seine Freundin auf Dutzende von Statuen hin, die entlang der schmaleren Gänge standen. Irgendwie wurde man das Gefühl nicht los, permanent beobachtet zu werden.
    »Ruhe!«, herrschte sie der Lehrer an. »Oder gibt es Freiwillige, die gleich am ersten Tag nachsitzen wollen?«
    In gedämpfter Stimmung gingen die Schüler eine Treppe hinauf und betraten einen hellen Raum, dessen Wände mit anatomischen Abbildungen bedeckt waren. Die Doppeltische aus dunklem Holz rochen nach Möbelpolitur.
    »Setzt euch!«, befahl der Lehrer.
    »Wo wir wollen, Mr McGraw?«, fragte einer der Schüler.
    »Wo ihr wollt. Zumindest, solange ihr euch an die Grenzen dieses Raums haltet«, sagte der Lehrer mit zynischem Unterton. »Stellt eure Sachen fürs Erste auf den Boden. Nachher zeige ich euch die Schließfächer, in denen ihr alles unterbringen könnt, was ihr braucht: Pausenbrote, Sportsachen, Bücher, Glücksbringer, Kuscheltiere und so weiter.« Er lachte boshaft. »Wir werden den Vormittag zusammen verbringen. Ihr bekommt euren Stundenplan und ich stelle euch eure Lehrer vor. Ich bin euer Mathematik-, Physik- und Chemielehrer und außerdem euer Klassenlehrer. So viel gleich vorneweg: Mit irgendwelchem Kinderkram braucht ihr gar nicht erst zu mir zu kommen. Ihr seid jetzt in der Achten, da müsst ihr Verantwortung übernehmen. Ich bin nur für euch da, wenn es gewichtige Gründe dafür gibt, verstanden? Außerdem verlange ich größtmögliche Disziplin und den allergrößten Arbeitseifer. Weder die Schulleitung noch ich dulden Faulheit und Bequemlichkeit, merkt euch das. Es ist euer gutes Recht, mittelmäßig zu sein, aber nur, wenn das euer Bestes ist. Eure Höchstleistung. Wir erwarten, dass ihr alles gebt, nicht weniger. Verstanden?«
    Ein höfliches Murmeln ging durch die Reihen. Oksa machte sich ganz klein. Sie hoffte, niemals auf McGraw angewiesen zu sein. Sollte sie jemals Schwierigkeiten haben, würde sie sich garantiert an jemand anders wenden. Im Moment ging es ihr gar nicht gut. McGraws Ansprache hatte sie eingeschüchtert und sie fühlte sich ziemlich unter Druck gesetzt. Doch das war es nicht allein – die Anwesenheit dieses Mannes flößte ihr ein regelrecht körperliches Unbehagen ein.
    »Nun, ich habe mich vorgestellt, jetzt seid ihr an der Reihe«, fuhr McGraw in einem eisigen Ton fort, bei dem man am liebsten schleunigst das Weite gesucht hätte. »Erzählt kurz, wer ihr seid, was eure Stärken sind, eure Hobbys, wenn ihr welche habt, und alles, was eure Klassenkameraden und ich über euch wissen sollten. Übertreibt aber nicht, fühlt euch nicht genötigt, gleich euer ganzes Leben
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