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Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller
Autoren: Bastei Lübbe
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bist du nicht mehr in der Lage.«
    Er erreicht die geteerte Straße, fädelt sich ohne den kleinsten Blick über die Schulter ein und gerät erneut ins Schleudern. Der Hyundai rutscht über den Asphalt, doch Abou schafft es, ihn abzufangen. Der Fahrer eines völlig überladenen Motorrollers, der bei diesem Manöver in die Botanik abgedrängt wird, schreit ihm eine ganze Kaskade von Flüchen hinterher. In voller Geschwindigkeit und mit aufgeblendeten Scheinwerfern durchquert er die Stadt, hupt ständig, wird an den Kreuzungen keinen Deut langsamer und handelt sich jede Menge Beleidigungen und Ärger ein. Es grenzt an ein Wunder, dass sie ohne größeren Schaden die Straße nach Ouahigouya erreichen. Laurie neben ihm bekommt von alledem nichts mit, denn sie ist erneut bewusstlos geworden.
    Abou schafft die hundertfünfzehn Kilometer von Kongoussi nach Ouahigouya in kaum einer Stunde, was angesichts seiner mangelnden Fahrpraxis, des schlechten Straßenzustands und des Verkehrs, der seit den Zeiten der Trockenheit deutlich zugenommen hat, ein echter Rekord ist. Mehrfach hat er großes Glück, dass es nicht zu einem schweren Unfall kommt, er überholt, ohne sich darum zu kümmern, ob ihm jemand entgegenkommt, scheucht Fußgänger, Radfahrer und Motorräder rücksichtslos von der Straße, sprengt erst eine Ziegen- und später eine Kuhherde auseinander, ohne ein einziges Tier auch nur zu berühren, muss sich aber von den Fulbe-Hirten die schlimmsten Verwünschungen nachrufen lassen, weil ihre Tiere in die Savanne davongelaufen sind. Endlich erreicht er Hadés Hof. Der Wagen ist völlig überhitzt. Mehrere Warnleuchten blinken. Abou nimmt die immer noch ohnmächtige Laurie auf die Arme und trägt sie im Laufschritt zu seiner Großmutter, die gemeinsam mit Banaund-Magéné die relative »Abendkühle« im Schatten der Tamarinde genießt.
    »Großmutter! Großmutter! Laurie geht es sehr schlecht. Es ist mir nicht gelungen, sie vor dem Zauber des wackman zu schützen!«
    Vorsichtig legt Abou Laurie auf die Matte zu Füßen des Baumes.
    »Welcher Zauber? Welcher wackman?«
    »Erinnerst du dich nicht? Félicité hat doch im vergangenen Winter einen wackman bezahlt, der Laurie verzaubern sollte. Du hast mir damals gesagt, dass meine Liebe genügen würde, sie davor zu schützen.«
    Mühsam geht Hadé neben Laurie in die Knie. Sie untersucht die junge Frau gründlich, tastet Arme, Hals und Gesicht ab, fährt mit ihrer pummeligen Hand unter ihr T-Shirt, hört ihr Herz ab, betastet ihren Plexus und ihren Bauch. Schließlich sieht sie Abou an und schüttelt enttäuscht den Kopf.
    »Schlimm, dass du wirklich so gar nichts behältst. Was macht es für einen Sinn, wenn du ins Bangré sehen kannst, wenn es dir nicht einmal gelingt, deinen liebsten Schatz richtig anzuschauen? Mit dieser Medizin der Weißen, die überall verteilt wird, kann das doch inzwischen jeder!«
    Hadé spielt auf Klarblick an, die Gentherapie zur Behandlung von durch Onchozerkose hervorgerufenen Läsionen. Zwar heilt die Medizin tatsächlich, doch sie hat eine überraschende Nebenwirkung: Einige Patienten entwickeln eine Art »Zweites Gesicht« und können, wie Saibatou, die Aura und Gefühle von Menschen als farbige Lichtwellen erkennen. Inzwischen sind die Leute ganz wild auf das Medikament, und viele nehmen es in großen Mengen, aber ohne jeden Nebeneffekt ein, denn die Begabung entwickelt sich nur bei denjenigen, die wegen einer wirklichen Onchozerkose behandelt werden. Die Gesundheitsminister der westafrikanischen Länder sahen sich gezwungen, die kostenlose Abgabe von OCO47 zu unterbinden, das Medikament als psychotrope Substanz zu klassifizieren und es nur noch auf Rezept abzugeben, was allerdings einen blühenden Schwarzmarkt nicht verhindern konnte. Viele Amulettverkäufer haben OCO47 in ihr Sortiment aufgenommen: Das Wundermittel, das Seherkräfte verleiht! Mit Klarblick erfährst du, ob deine Frau dich noch liebt. Klarblick zeigt dir, wer dein Feind ist. Mit Klarblick enttarnst du Lügner und Heuchler.
    Doch im Fall Laurie handelt es sich um etwas völlig anderes. Während der Ausbildung hat Hadé versucht, Abou beizubringen, die Energie zu sehen, die in jedem menschlichen Wesen zirkuliert, ihre unterschiedlichen Formen zu erkennen und sich das Wissen darüber anzueignen, wodurch sich diese Energie verändert oder blockiert wird und wie man dagegen vorgehen kann. Es ist eine andere Art, mit dem Bangré umzugehen, wesentlich subtiler als das Herbeirufen von
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