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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
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Nebennierenrinde lag, offenbar wurden unglaubliche Mengen an Stresshormonen in meinen Blutkreislauf gepumpt, die mir plötzlich zu verstehen gaben, Hoss Shackett befinde sich im nächsten Raum. Nicht nur im nächsten Raum, sondern direkt hinter dieser Tür. Und nicht nur
hinter dieser Tür, sondern mit der Hand am Knauf, so wie ich auf dieser Seite die Hand am Knauf hatte.
    Wie ich gesehen hatte, waren die Fenster in den Türen an beiden Seiten mit Jalousien verschlossen. Wenn ich nun durch meine lugte, dann sah ich nur die Rückseite der anderen - falls der Chief nicht im selben Moment durch seine lugte, denn dann blickten wir uns in die Augen.
    Mein Herz jagte. Mein Mund war so trocken, dass ich das Gefühl hatte, meine Zunge würde klappernd gegen die Zähne stoßen, wenn ich es wagte, sie zu bewegen. Ich hatte Angst, den Knauf zu drehen, denn wenn der Chief das spürte, dann wusste er, wo ich mich befand, während ich immer noch nicht wusste, ob er tatsächlich dort auf der anderen Seite stand.
    Ist man von Furcht gelähmt, so muss man irgendwann entscheiden, ob es besser ist, sich trotz aller Risiken zu bewegen oder reglos zu bleiben, bis man an einer geplatzten Blase stirbt oder vor Entsetzen wahnsinnig wird. Deshalb hatte ich mich in solchen Augenblicken immer für die erste Option entschieden, und diese Entscheidung fällte ich jetzt auch wieder.
    Ich drehte den Knauf, stieß die Tür auf und betrat das nächste Klassenzimmer. Dort wartete kein Hoss Shackett auf mich.
    Obgleich ich mich über mich ärgerte, war mein Verhalten mir nicht peinlich. Selbst jemand wie ich, der über eine paranormale Wahrnehmung verfügt, kann oft nur schwer den Unterschied zwischen einer verlässlichen Intuition und den Wirkungen einer zu stark stimulierten Nebennierenrinde beurteilen. In solchen Fällen muss man sich achselzuckend damit trösten, dass nur die Nebennieren rinde nicht richtig funktioniert, denn wenn das die gesamte Nebenniere täte, dann würden einem plötzlich Haare auf den Handflächen wachsen.

    Kaum hatte ich einige Schritte in den neuen Raum hinein getan, als mich wieder ein Geräusch aufschreckte. Ich blieb stehen und legte den Kopf schief, um zu lauschen. Aus den anderen Klassenzimmern oder dem langen Flur zum Ausgang hörte ich ein arrhythmisches Klicken und Ticken. Zuerst kam es mir völlig fremd vor, dann vertraut, und dann erkannte ich es mit einem Mal - es war das Klicken scharfer Klauen auf dem glatten Kunststoffboden, über den gierige Kojoten stakten, um nach leckerer Nahrung zu suchen.
    Offenbar hatte Hoss Shackett die Hintertür geöffnet und die Biester unabsichtlich hereingelassen. Aber wenn das der Fall war, wieso hatte er dann nicht entsetzt aufgeschrien, als sie um ihn herumwimmelten, oder wieso hatte er keinen Schuss abgegeben, um sie zu verscheuchen?
    Wenn ich die Zimmer richtig abgezählt hatte, dann führte die nächste Tür auf den Flur, der direkt an den Verbindungsgang zur Kirche anschloss. Das war tatsächlich der Fall.
    Es war zwar kein edelmütiger Gedanke, aber ich hoffte, dass die Kojoten den Chief in Stücke gerissen hatten, als sie durch die Hintertür gekommen waren. Da ich aber weder die Biester knurren noch den Chief schreien gehört hatte, war meine Hoffnung wahrscheinlich doch nicht erfüllt worden.
    Sobald ich in den Flur gelangt war, rannte ich zu dem überdachten Gang, der vom Nebengebäude zur Kirche führte. Dort schlug ich die Tür hinter mir zu und lief weiter, doch als ich mich umsah, stellte ich fest, dass sie nicht zugeschnappt, sondern zurückgeprallt war und nun offen stand.
    Umgeben von Darstellungen dessen, was Jesus tun würde, rannte ich an einer Kinderzeichnung vorbei, die mir vorher nicht aufgefallen war: Jesus saß in einem Hubschrauber und rettete Kälber aus einem Mastbetrieb.
    Sobald ich das Ende des Gangs erreicht hatte, blickte ich
mich wieder um und sah Kojoten durch die Tür hinter mir springen. Als sie mich erblickten, wedelten sie vor Entzücken mit dem Schwanz. Offenbar handelte es sich um geborene Feinschmecker.
    Ich stürmte in den Vorraum der Kirche und schlug die Tür hinter mir zu. Diesmal nahm ich mir die Zeit, mich zu vergewissern, dass sie ins Schloss gefallen war.
    Die Tür nach draußen war natürlich immer noch verschlossen. Ich trat ins Kirchenschiff und eilte auf die Altarschranke zu, über die ich erst vor kurzem in die andere Richtung geflohen war.
    Weil die Kojoten nicht allein ins Nebengebäude gelangt sein konnten und weil der
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