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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics
Autoren: Florian Josef Hoffman
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kleinere, vermeintlich schwächere Anbieter ausscheiden, indem sie in die Insolvenz gehen und/oder von den größeren Wettbewerbern aufgekauft werden. Verloren geht die Vielfalt des Angebots und vor allem im Lebensmittelbereich die Qualität der Produkte.
    Oder noch einfacher beschrieben: Der Unternehmer merkt, dass er mit seiner Ausstattung auf dem Markt preislich nicht mehr bestehen kann, zur Vermeidung seines persönlichen Untergangs verkauft er sein Unternehmen noch schnell an einen der drei Marktführer. Der kauft sich damit Marktanteile dazu. Der Unternehmer kassiert die Millionen und zieht sich damit in die Schweiz oder auf Mallorca zurück, ein Vorgang, den wir bei uns in den letzten Jahrzehnten in allen Branchen beobachten konnten. Und es gibt noch einen unerfreulichen Nebeneffekt, den auch jeder nachvollziehen kann: Während es sich bei den kleineren Unternehmenseinheiten durchweg um eigentümergeführte Unternehmen handelt, handelt es sich bei den größeren Gesellschaften, also den Aufkäufern, überwiegend um Gesellschaften, die finanziell vom Kapitalmarkt gefüttert, sprich: finanziert werden. Kapitalgesellschaften werden von Managern geführt, nicht mehr von Eigentümern. Die Eigentümer-Verantwortlichkeit wird eliminiert. Joseph Schumpeter sah darin die Ursache dafür, dass alle Wirtschaft tendenziell im Sozialismus enden würde.
    Ich kenne persönlich mehrere Unternehmer, die in ihrem Leben noch nie einen Mitarbeiter entlassen haben – es sei denn, sie mussten es aus zwingenden Gründen (Kriminalität oder Ähnlichem) tun. Das ist eine Haltung, die moralisch und ethisch den Kapitalismus als Wirtschaftssystem rechtfertigt. Dieselben Unternehmer haben natürlich auch schlechte Zeiten erlebt. Aber ihre Reaktion war nicht: Ich muss aus betrieblichen Gründen kündigen und treffe deshalb eine Sozialauswahl, sondern ihre Reaktion war und ist: Wir müssen da durch, wir müssen gemeinsam den Gürtel enger schnallen, es kommen auch wieder bessere Zeiten! Das ist die solidarische Haltung, die auch im Großen für die Soziale Marktwirtschaft steht: In der Krise 2008/2009 hat die Bundesregierung das Kurzarbeitergeld zeitlich verlängert, dadurch für den Erhalt von Millionen von Arbeitsplätzen gesorgt und damit den Grundstein für den Erfolg des nächsten Aufschwungs gelegt. Das war mustergültig, aber eben auch landesweite Solidarität im Großen.
    Das Nächste ist die Reaktion des angestellten Managers in derselben Situation. Der Manager ist dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, Gewinne zu machen. Man kann nicht sagen, dass es dem Eigentümer egal ist, wie das geschieht, aber der Eigentümer hat, je weiter er sich vom Unternehmen entfernt, immer weniger Einfluss und auch immer weniger Empfinden für das, was im Unternehmen geschieht. Das Extrembeispiel sind US-amerikanische Pensionsfonds unendlicher Größe und Finanzkraft, die die sogenannten Hedgefonds mit Geld ausstatten, damit die ihnen ansehnliche Renditen erwirtschaften. Da ist der Abstand zwischen dem eigentlichen Eigentümer, dem US-amerikanischen Arbeitnehmer und dem inländischen Arbeitnehmer so groß, das Kapital so anonym, dass jegliche Verantwortung – außer für den Gewinn – verloren geht.
    Verkürzt kann man sagen: Das Kapital in Form von Eigentum erzeugt Verantwortlichkeit, das Kapital in Form von Geld, also Finanzkapital, erzeugt Verantwortungslosigkeit. Dasselbe geschieht übrigens mit dem ausgeschiedenen und ausbezahlten Unternehmer. Aus dem echten Kapitalisten mit Verantwortung wird ein verantwortungsloser Finanz-Kapitalist. Natürlich nicht wirklich absichtlich, sondern eher aus Gedankenlosigkeit.
    Als Reaktion werden in den Unternehmen Ethik-Seminare veranstaltet, weil alle merken, dass die Moral verloren gegangen ist. Aber das Ergebnis ist nicht, dass der Manager die Mitarbeiter behält, sondern dass der Manager die Mitarbeiter mit einem schlechten Gewissen entlässt, seine Grundargumentation aber unangetastet bleibt. Alles wird dem unternehmerischen Ziel untergeordnet, wobei dieses Ziel nicht auf das Wohl der Firma und ihrer Mitarbeiter ausgerichtet ist, sondern auf das Wohl des Shareholders. Das ist aber der, der mit dem Unternehmen direkt gar nichts zu tun hat.
    Heute jedoch geht die Verfolgung von Verbraucherinteressen mithilfe des Kartellrechts so weit, dass der Gegenpart, der Lieferant, der Hersteller, der Anbieter, schon bald gar keine Rechte mehr hat. Das ist diese unsägliche Vorstellung Adam Smiths, die sich in der
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