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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische
Autoren: dtv
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Besuch. Thurman ist allerdings hier in Birmingham zu Hause.«
    »Und er fühlt sich hier enorm wohl, nachdem man ihn jahrelang über den ganzen Globus gezerrt hat.« Die Stimme, die hinter
     uns aufgetaucht war, gehörte einer großen, schlanken Frau mit feingeschnittenen Gesichtszügen und rotgoldenem Haar, das sie
     zu einem Zopf geflochten hatte. Sie erinnerte mich an die junge Vanessa Redgrave.
    Claire Moon stellte uns einander vor, und ich gratulierte Mercy zu ihrer Galerie und der Ausstellung. »Ich bin sehr stolz |34| darauf«, sagte sie. »Aber den Löwenanteil bei der Vorbereitung der Ausstellung hat Claire geleistet.«
    In Claires Miene mischten sich Freude und Schreck: »Oh, Mercy, du weißt, daß das nicht stimmt.«
    Mercy legte einen Arm um Claires Schulter: »Nun, du hast die meisten dieser Künstler ausfindig gemacht.« Vor dem Wort
Künstler
hatte sie eine kleine Pause gemacht, lang genug, um mich aufhorchen zu lassen und das Lächeln auf Claires Gesicht zum Erlöschen
     zu bringen. Lang genug, um mich sofort in die Defensive zu treiben.
    »Ich habe noch nie schönere Kunst gesehen«, sagte ich. »Ich finde es eine Schande, daß die Folk-Art-Talente keine höhere Wertschätzung
     erfahren.«
    »Natürlich.«
    Mercy Armistead sah mir direkt ins Gesicht, mit Augen, die weder grün noch braun waren, sondern von irgendeinem bernsteinartigen
     Farbton dazwischen.
    Ich setzte meinen Lehrerinnenblick auf, der nach wie vor hervorragend funktionierte.
    »Ja, dann«, erklärte sie, »ich muß mich wieder unter die Leute mischen.« Sie klopfte Claire auf die Schulter, sagte: »Es war
     nett, Sie kennengelernt zu haben, Mrs.   Hollowell«, und verschwand in der Menge.
    »So viel zum Thema Folk-Art«, sagte ich.
    »Sie ist wirklich sehr nett, Mrs.   Hollowell. Sie ist nur fürchterlich aufgeregt, weil es in letzter Minute noch so viele Dinge zu tun gab. Die Leute vom Cateringservice
     waren zu spät, und sie mußte sich in aller Eile fertigmachen. Und dann stand ihr Haar völlig wild in alle Richtungen ab, als
     bereits die ersten Leute kamen.« Zwei senkrechte Falten waren jetzt zwischen Claires schwarzen Augenbrauen zu sehen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte ich sie. »Ich garantiere Ihnen, daß die Ausstellung großen Eindruck auf alle hier
     machen wird. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Quilt, den |35| ich gerne kaufen würde. Ich muß nur noch mit der AmSouth Bank eine entsprechende Kreditlinie aushandeln.«
    Die Falten verschwanden, und sie lächelte. »Es ist bestimmt einer von Leota Wood.«
    »Bekommt die Galerie eigentlich einen festen Prozentsatz?« »Normalerweise vierzig Prozent. Wobei der finanzielle Aspekt für
     Mercy keine Rolle spielt. Ihr Vater ist Samuel Armistead, der Filmproduzent.«
    »Claire, Claire, Claire.« Zu meinem Erstaunen flog Claire plötzlich durch die Luft und landete über der Schulter eines hochgewachsenen
     Schwarzen.
    »Wo gibt’s denn hier was zu trinken, Claire, ich meine was Anständiges? Thurman sagt, ihr habt was da.«
    »Jack Daniel’s, Claire. Mercy hat irgendwo welchen versteckt. Los, James, schmeiß sie rüber.«
    James warf die kreischende Claire mit einer lässigen Bewegung in die ausgestreckten Arme von Thurman. »Jetzt wirf sie wieder
     zurück.« Bonnie Blues Bruder war ein Riese von einem Mann. Zu seinem konservativen dunklen Anzug trug er eine Mickymauskrawatte.
    »Nicht! Ich gestehe alles.« Claires bleiches Gesicht zeigte eine leichte Rosafärbung. Ganz offenkundig genoß sie das Spiel,
     das ihr durchaus vertraut schien.
    Thurman setzte sie ab. »Bourbon, Claire. Ein kräftiger Tropfen für kräftige Kerle.«
    »Sieht aus, als hättest du dir schon den einen oder anderen Tropfen gegönnt.«
    Thurman machte Anstalten, sie erneut zu packen.
    »Nicht!« Sie machte einen Satz nach hinten, glättete ihr Kleid und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Ich hol’ ihn euch.«
    »Na also!« James klopfte Thurman auf die Schulter, und sie folgten Claire durch eine Seitentür hindurch.
    Mary Alice kreuzte gerade durch den Raum, und Bonnie |36| Blue zeigte einem potentiellen Kunden eines von Abes Gemälden, als ich zurückkam. Ich dankte dem alten Herrn für das
    Bild, das mir Bonnie Blue geschenkt hatte, und sagte ihm, wie sehr ich seine Arbeit bewunderte.
    »Haben Sie vielleicht irgendwelches Sperrholz übrig?« fragte er.
    Ich verneinte, versprach aber, die Augen offenzuhalten.
    »Sperrholz ist ein guter Untergrund zum Malen«, erklärte er. »Es
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