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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!
Autoren: Lucie Tourmalin
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will, dann lässt er eben auch mal ganze Sätze in seiner Muttersprache in die Unterhaltung einfließen.
    „ Na gut“, seufze ich ergeben, „was soll’s. Ich rufe gleich Tina an und kläre mit ihr, ob ich die nächste Woche frei machen kann. Überstunden habe ich genug. Und dann komme ich mit dir nach Worms.“
    Worms. Wie das schon klingt. Gibt es nicht ein Computerspiel, das auch so heißt? Worms. Das klingt richtig nach Langeweile, nach Trostlosigkeit. Eine ganze Woche, was soll ich denn da? Aber vielleicht hat George Recht und ein bisschen Abstand wird mir guttun. Die Frage ist nur: Abstand – wovon?
    „ You’re great!“, jubelt George und unterbricht meine Gedanken. Na wenigstens einer, der sich freut. Wir vereinbaren, uns später noch bei mir zu treffen, und legen auf.
    Agnes, meine Chefin, erscheint plötzlich wie aus dem Nichts neben mir – sie ist gut darin – und sieht mich stirnrunzelnd an – auch das kann sie gut.
    „ Was hatten wir über private Telefonate während der Arbeitszeit vereinbart?“, fragt sie mich mit vorwurfsvoller und gezierter Stimme. Schon allein diese Frage! Was hatten wir doch gleich vereinbart?
    So eine dumme Kuh. Sie könnte auch einfach sagen, dass ich nicht telefonieren soll, das ist nämlich die Vereinbarung. Oder vielmehr die Anordnung. Der Befehl.
    Ich senke scheinbar zerknirscht den Kopf und murmle: „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“
    Agnes schüttelt den Kopf wie ein Pferd, das eine lästige Fliege verscheuchen will.
    „ So, jetzt pack dein Handy weg und hilf Sonja mit den Salaten.“ Sie benutzt ihre Ich-bin-hier-nur-von-Kleinkindern-umgeben-Stimme und klingt, wie eigentlich fast immer, ungeheuer herablassend. Ich stopfe mein Handy in die Schürzentasche und gehe zur Salatbar, nicht ohne insgeheim eine wahre Kanonade an Schimpfwörtern auf sie abzufeuern.
    Während ich die Salate zubereite – einen kleinen italienischen Salat, zweimal großer Salat mit Hähnchenbruststreifen und einmal Tomate-Mozzarella – denke ich über meinen Job nach. Oder besser gesagt, meine beiden Jobs. Und weil Studieren auch irgendwie als Arbeit zählt – man gibt schließlich als Berufsbezeichnung „Student“ an – sind es eigentlich drei Jobs. Und ich kann gar nicht sagen, welcher der drei Jobs mich mehr nervt. Vermutlich immer gerade der, mit dem ich mich im Moment beschäftige. Bin ich an der Uni, finde ich das am nervigsten, bin ich in Tinas Laden, denke ich, das sei der schlimmste meiner Jobs, und bin ich hier – das Schema sollte jedem klar sein.
    Nach dem Abitur hatte ich große Pläne, wollte unbedingt in die Medienbranche. Ich sah mich selbst als die neue Anna Wintour – die Chefin der amerikanischen ‚Vogue‘. Oder als Carrie Bradshaw, ja, die aus ‚Sex and the City‘. Nur wie wird man Anna Wintour oder Carrie Bradshaw? Gut, blond war ich schon von Geburt an, aber ob das allein schon reicht? Eher nicht.
    Ich entschloss mich zum Studium der Germanistik. Kann ja nicht schaden, wenn man gut deutsch kann, und Medienwissenschaften hatte eine Zulassungsbeschränkung, da kam ich mit meiner mittelprächtigen Abiturnote einfach nicht rein. Blauäugig wie ich damals war – und damit meine ich nicht meine Augenfarbe, die ist nämlich braun – ging ich davon aus, dass man mit einem Magister in Germanistik einfach alles machen könne, dass einem die Welt quasi zu Füßen läge.
    Bald merkte ich, dass man möglichst früh sozusagen einen Fuß in die Tür der Medienbranche bekommen muss. Am besten hätte man schon in der Schülerzeitung der Grundschule mitgearbeitet und als Schüler beim Radio oder besser noch bei einem Fernsehsender gejobbt. Leider hatte ich all dies versäumt und musste dann feststellen, dass keine der von mir angeschriebenen Zeitschriften Interesse an meiner Bewerbung hatte – wegen fehlender Vorkenntnisse.
    Das Problem war, ich konnte mir auch keine „Vorkenntnisse“ mehr nachträglich aneignen, da ich bei der Finanzierung meines Studiums größtenteils auf mich selbst angewiesen war. Meine Eltern unterstützten mich natürlich so gut es ging, aber ohne mir etwas dazu zu verdienen, hätte es vorn und hinten nicht gereicht. An die guten, die bezahlten, Nebenjobs in der Pressewelt kam ich nicht heran und für die unbezahlten Praktika fehlte mir die Zeit. Ein Teufelskreis.
    Ich streue großzügig die Käsemischung aus gehobeltem Gouda und Mozzarella in die Salatschachteln und überlege, dass ich jetzt schon seit fünf Jahren diesen Job bei
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