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Nullsummenspiel

Nullsummenspiel

Titel: Nullsummenspiel
Autoren: David Mack
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kurz geschnittene Bart, den er seit einiger Zeit trug. Sein vierzigster Geburtstag war vergangen, ohne dass er mehr als eine feierliche Subraumunterhaltung mit seinen Eltern geführt und eine automatische Nachricht vom Computer der Station erhalten hatte. An den meisten Tagen gelang es ihm recht gut, das Älterwerden zu ignorieren, doch er würde in wenigen Monaten einundvierzig werden. Er war sich nur zu deutlich bewusst, dass er in den Augen einiger vielleicht noch jugendlich wirken mochte, aber nie wieder jung sein würde.
    Das Schlimmste war jedoch, dass er seit einigen Monaten von einem Gefühl heimgesucht wurde, das er den Großteil seines Erwachsenenlebens verdrängt hatte, das er jetzt allerdings nicht mehr loswurde. Er war schlicht und einfach einsam.
    Die Türen der Krankenstation glitten auf, als er sich näherte, und er betrat das schwach beleuchtete medizinische Zentrum. Alle Biobetten waren leer, und der Großteil der Anzeigen stand auf Stand-by. So sah Bashir seinen professionellen Wirkungsbereich am liebsten: leer. Anders als die anderen, die auf dem Promenadendeck zu finden waren, konnte Bashir sagen, dass er am erfolgreichsten war, wenn niemand das Bedürfnis hatte, ihn aufzusuchen.
    Er ging an seinem Büro vorbei und trat leise um die Ecke zur Intensivstation. Am anderen Ende des großen Raums wurde ein einzelnes Biobett durch eine Deckenlampe in sanftes, orangefarbenes Licht getaucht. Darin lag Captain Elias Vaughn angeschlossen an eine komplexe Reihe lebenserhaltender Maschinen im Koma. Er war Jahre zuvor als Erster Offizier nach Deep Space 9 gekommen und hatte hier eine kurze Zeit als kommandierender Offizier verbracht. Doch schließlich hatte er aufgrund seiner Leidenschaft für die Erkundung seine Versetzung auf ein Raumschiff erbeten – und diese Entscheidung hatte sich für ihn als schicksalhaft und tragisch erwiesen.
    Neben dem Bett saß Vaughns Tochter, Lieutenant Prynn Tenmei, auf einem Stuhl. Die junge Frau hielt ein dünnes Padd in der Hand und las ihrem Vater mit leiser, wohlklingender Stimme etwas vor. »Der Bug des Schiffes pflügte durch das schwarze Wasser«, sagte sie, als Bashir näher kam, »und die Segel flatterten über Wades Kopf dank der Windstöße, die von dem Inferno an der Küste herüberwehten. Um ihn herum versammelten sich die Schwachen und die Verängstigten, die Verwaisten und die Verstoßenen, während hinter ihm das zweite Land, das er lieben gelernt hatte und das ihm zur Heimat geworden war, brannte, verzehrt von den Kreaturen von Scarden.
Nie wieder
, schwor sich Wade und ballte seine Hände zu Fäusten.
Nie wieder
.« Tenmei scrollte zur nächsten Seite, als Bashir hinter ihrer Schulter stehen blieb. »Wade wandte dem Feuer den Rücken zu. In der Ferne tanzten Blitze und kündigten einen Sturm an. Meeresgischt benetzte sein Gesicht, als das Deck unter seinen Füßen schwankte. Konfrontiert mit einer Dunkelheit ohne Horizont, begriff er endlich, was es hieß, die Zukunft zu fürchten.« Sie schaltete das Padd aus, sah ihren Vater an und fügte hinzu: »Ende von Kapitel vierundzwanzig.«
    »Buch zwei der
Zwielicht-Königreiche
?«, erkundigte sich Bashir. Tenmei nickte. »Ich habe die Trilogie als Kind gelesen«, fuhr Bashir fort. »Es ist erstaunlich, wie gut man sie auch heutzutage, nach all den Jahrhunderten, noch lesen kann. Vermutlich kann man sie durchaus als zeitlos bezeichnen.«
    Der kalte, rationale Teil von Bashirs Verstand hätte sie gern darauf hingewiesen, dass Vaughn vermutlich nicht mehr dazu in der Lage war, etwas zu mögen und zu missbilligen, da er, seit er vor achtzehn Monaten im Kampf gegen die Borg verwundet worden war, keine Anzeichen für eine höhere Gehirnfunktion mehr aufwies. Doch der mitfühlende Teil von Bashirs Persönlichkeit wusste, dass er dieses Thema mit Tenmei auf feinfühlige Weise besprechen musste, da sie ihre Mutter vor fast einem Jahrzehnt durch eine Borg-Assimilierung verloren hatte.
    Tenmei sah auf und fixierte Bashir mit verbittertem Blick. »Ich weiß, was Sie sagen wollen.«
    »Ich habe doch bisher noch
gar nichts
gesagt.«
    Sie stand auf, legte das Padd auf den Stuhl und beugte sich über ihren Vater. »Ich bin nicht bereit, ihn aufzugeben.« Sie strich ihm mit den Fingern weiße Haarsträhnen aus der Stirn. Dann drückte sie ihre honigbraune Handfläche gegen die ausgemergelte, blasse Wange des alten Mannes. »Er sollte nicht auf diese Weise sterben.«
    Bashir formulierte seine Antwort mit Bedacht. »Sie meinen,
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