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Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten

Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten

Titel: Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten
Autoren: Alessandro Baricco
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spielen kann. Verzeiht mir. Aber ich werde nicht von Bord gehen. Laßt mich wieder zurück.
    Bitte /
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    /
    /
    Versuch das jetzt zu verstehen, Bruder. Versuch zu verstehen, wenn du kannst /
    Diese ganze Welt vor Augen /
    Entsetzlich, aber schön /
    Zu schön /
    Und die Angst, die mich zurücktrieb /
    Wieder und für immer das Schiff /
    Das kleine Schiff /
    Wieder diese Welt vor Augen, Nacht für Nacht /
    Gespenster /
    Du kannst daran sterben, wenn du sie gewähren läßt /
    Den Wunsch, von Bord zu gehen /
    Die Angst, es zu tun /
    Auf diese Weise wirst du verrückt /
    Verrückt /
    Du mußt irgendwas tun, und ich hab es getan /
    Erst hab ich’s mir vorgestellt /
    Dann hab ich’s getan /
    Tag für Tag, jahrelang /
    Zwölf Jahre lang /
    In Abermillionen Augenblicken /
    Eine unsichtbare, ganz langsame Geste./
    Ich, der nicht in der Lage war, von Bord dieses Schiffs zu gehen, bin, um mich zu retten, von Bord meines Lebens gegangen. Stufe für Stufe. Und jede Stufe war ein Wunsch. Jeder Schritt ein Wunsch, dem ich adieu sagte.
    Ich bin nicht verrückt, Bruder.
    Wir sind nicht verrückt, wenn wir das System finden, mit dem wir uns retten können. Wir sind schlau wie hungrige Tiere. Wahnsinn hat damit nichts zu tun. Das ist Genie. Und Geometrie. Perfektion. Die Wünsche haben mir die Seele zerrissen. Ich hätte sie ausleben können, aber ich habe es nicht geschafft.
    Also habe ich sie verzaubert .
    Und habe sie einen nach dem anderen hinter mir gelassen. Geometrie. Ein perfektes Stück Arbeit. Alle Frauen der Welt habe ich verzaubert, als ich eine ganze Nacht lang für eine Frau spielte, eine einzige – durchsichtige Haut, die Hände ohne Schmuck, die Beine schlank, wiegte sie den Kopf nach meiner Musik, ohne ein Lächeln, ohne auch nur einmal den Blick zu senken, eine ganze Nacht lang; als sie aufstand, war nicht sie es, die aus meinem Leben ging, sondern sämtliche Frauen der Welt. Den Vater, der ich nie sein werde, habe ich verzaubert, als ich mitansah, wie ein Kind starb, tagelang neben ihm sitzend, ohne daß mir das geringste von diesem schrecklichen, schönen Anblick entging, ich wollte das letzte sein, was es auf dieser Welt sah; als es den Blick fest auf mich gerichtet starb, starb nicht nur dieses, sondern alle Kinder, die ich nie hatte. Das Stück Land, das mein Land war, irgendwo auf der Welt, habe ich verzaubert, als ich einen Mann aus dem Norden singen hörte, man hörte ihm zu, und man konnte sehen: Man sah das Tal, die Berge ringsum, den Fluß, der langsam talwärts floß, den Schnee im Winter, die Wölfe in der Nacht; als dieser Mann aufhörte zu singen, hörte auch mein Stück Land auf, für immer, egal wo es liegen mag. Die Freunde, die ich mir wünschte, habe ich verzaubert, als ich an jenem Abend für dich und mit dir spielte, in dem Gesicht, das du hattest, in deinen Augen sah ich sie alle, meine geliebten Freunde; als du fortgingst, gingen sie mit dir. Ich habe mich vom Staunen verabschiedet, als ich sah, wie die gigantischen Eisberge des Nordmeers von der Wärme besiegt einstürzten, ich habe mich von den Wundern verabschiedet, als ich Männer lachen sah, die der Krieg zerfetzt hatte, ich habe mich von der Wut verabschiedet, als ich sah, wie dieses Schiff mit Dynamit vollgepackt wurde, ich habe mich von der Musik verabschiedet, von meiner Musik, als es mir eines Tages gelang, sie ganz und gar in nur einem kurzen Ton zu spielen, und ich habe mich von der Freude verabschiedet, die ich verzauberte, als ich dich hereinkommen sah. Das ist kein Wahnsinn, Bruder. Es ist Geometrie. Maßarbeit. Ich habe das Unglücklichsein entwaffnet. Ich habe meine Wünsche von meinem Leben abgestreift. Könntest du meinen Weg zurückverfolgen, würdest du sie einen nach dem anderen wiederfinden, verzaubert, reglos, für immer angehalten, damit sie die Route dieser merkwürdigen Reise markieren, von der ich niemandem je erzählt habe außer dir /
    /
    /
    (Novecento entfernt sich in Richtung der Kulissen.)
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    /
    /
    (Er bleibt stehen, dreht sich um.) 
     
    Ich sehe die Szene schon vor mir. wie ich oben ankomme, mit dem Typ, der meinen Namen auf der Liste sucht und nicht findet.
    »Wie heißen Sie nochmal?«
    »Novecento.«
    »Nosjinskij, Notarbartolo, Novalis, Nozza …«
    »Es ist nämlich so, daß ich auf einem Schiff geboren bin.«
    »Wie bitte?«
    »Ich bin auf einem Schiff geboren und da auch gestorben, ich weiß nicht, ob das da aus der Liste hervorgeht …«
    »Schiffbruch?«
    »Nein. Explodiert. Dreizehn
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