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Nonstop in die Raketenfalle

Nonstop in die Raketenfalle

Titel: Nonstop in die Raketenfalle
Autoren: Stefan Wolf
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an, die zu dieser Zeit im
Büro der Kunsthalle an ihrem Schreibtisch saß.
    »O nein!«, jammerte die
geplagte Frau. »Also schon wieder. Was soll ich nur machen? Leon ist völlig
gesund und er ist pünktlich heute früh mit dem Rad zur Schule gefahren.«
    »Ich weiß ja, wo er sich
versteckt«, sagte Tim. »Und in der dritten Stunde haben wir Religion. Da gehe
ich sowieso immer spazieren, denn ich gehöre einer anderen Konfession an. Die
Zeit werde ich nutzen.«
    »Stauch ihn zusammen, Tim!
Stauch ihn ordentlich zusammen.«
    Nur ungern!, dachte der
TKKG-Häuptling. Bin ja schließlich nicht sein Vater.
    Seine Freunde wären
mitgekommen, hatten aber Unterricht. Tim rechnete sich aus, wie viel Zeit er
brauchen würde, und wartete nicht das Ende der Pause ab, sondern ließ den
lärmerfüllten Innenhof hinter sich und holte sein Mountainbike aus dem
Fahrradschuppen. Kein Pauker, schon gar nicht die Pausenaufsicht, sah ihn, als
er durchs Tor preschte.
    Er legte ein Höllentempo vor.
Querfeldein, auf landwirtschaftlichen Fahrwegen, Pfaden und Joggerstrecken
waren es ungefähr vier Kilometer bis zu der Feldscheune. Sie lag in hügeliger
Weidelandschaft südwestlich der Millionenstadt, die Internatsschule befindet
sich bekanntlich exakt südlich davon. Tim fuhr also in westliche Richtung und
hatte die Morgensonne hinter sich.
    Er begegnete niemandem. Die
Scheune war groß, wurde aber seit langem nicht mehr benutzt, verfiel und sah
von fern wie ein Spukhaus aus. In der Nähe führte eine gut ausgebaute
Landstraße vorbei, die gleichwohl wenig befahren war, denn es gibt eine noch
bessere weiter nördlich, über die man schneller nach Gräbitschhausen gelangt.
Zwischen Straße und Scheune war ein Wiesenweg. Früher hatten ihn tiefe
Fahrrinnen markiert, weil ihn landwirtschaftliche Fahrzeuge nutzten. Jetzt
hatten Gras und Unkraut alles überwuchert. Und der Boden war weich.
    Deshalb fielen Tim die Spuren
auf. Ein schweres Motorrad hatte seine Reifenprofile in den Boden gedrückt. Die
Spur sah frisch aus.
    Tim fuhr die letzten Meter zur
Scheune und stieg vom Rad.
    Ringsum herrschte Stille. Leons
Bike war nicht zu sehen. Aber der Junge war ja nicht blöd und hatte es
sicherlich hinter der Scheune versteckt. Tim lehnte sein Bike an die morsche
Bretterwand und trat zum Tor.
    »Leon! Ich bin’s.«
    Tim spähte in den düsteren
Innenraum, der groß und hoch war wie eine Halle. Es roch immer noch stark nach
Heu. Überall lagen gestapelte Bretter, zerborsten und nutzlos, und Reste von
Weidezäunen sowie rostender Stacheldraht.
    »Tim?«
    »Ja. Wo steckst du?«
    Der TKKG-Häuptling trat ein und
sah sich um. Damals hatte er Leon in der linken hinteren Ecke entdeckt hinter
einem hohen Stapel brüchiger Bohlen. Dort war der Junge auch jetzt. Er kam
zögernd hervor, grinste unsicher und rieb sich den Kopf.
    »Du bist vielleicht ein
Armleuchter, Leon! Ich komme im Auftrag deiner Mutter. Sie hat mich quasi
autorisiert, dir eine hinter die Ohren zu hauen, was ich natürlich nicht tue.
Aber ich muss an deinen Verstand appellieren. So geht’s nicht weiter. Du
reitest dich in den Abgrund. Und deine arme Mutter grämt sich Magengeschwüre in
den Bauch. Kapierst du das?«
    Leon nickte. Er hatte ein
rundes Gesicht mit Sommersprossen und blondes Stoppelhaar. »Weißt du, Tim, ich
habe nachgedacht über mich — über das, was ich mir und meiner Mutter mit dem
Schwänzen antue. Also, ich schwöre dir: Heute ist mein schwänzerischer Abschluss.
Das letzte Mal. Habe ich mir fest vorgenommen. Du musst das sehen wie bei
einem, der mit dem Rauchen aufhören will, weil ihm schon der Lungenkrebs über
die Schulter grinst. Man schafft es jedoch nicht sofort — das Runterschalten
von 20 Lullen auf null. Schwänzen kann süchtig machen, aber ich bin jetzt fast
clean.«
    »Da hast du dir was ausgedacht,
fauler Sack.« Tim beobachtete den Jungen, und ihm fiel auf, wie nervös er war.
»Dir bibbert der Hintern, Leon. Ist was gewesen?«
    Leon nickte. »Ganz komisch.«
    »Was?«
    »Hast du den Wagen gesehen? Es
ist nämlich noch nicht lange her, dass...«, er sah auf die Armbanduhr und
verbesserte sich, »doch schon ‘ne Dreiviertelstunde. Den kannst du nicht mehr
gesehen haben.«
    »Was für einen Wagen, Leon?«
    »Einen Geldtransporter. Ich
hörte ihn und habe rausgeguckt. Der Wagen kam aus Richtung Stadt und hielt vorn
an der Straße. Der Fahrer stieg aus. Ein Typ in Uniform — wie sie diese
Security-Leute haben. Er hatte einen Behälter in der Hand und ist
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