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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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zitterten. »Das ist … nicht wahr … das ist … nicht wahr …«
    Wie von unsichtbaren Feinden umzingelt, machte Nevera sich klein und stierte aus tiefen, glühenden Augen zu Apolonia empor. »Ich bin … ich bin eine Motte! Ich bin, ich bin eine Motte!«, kreischte sie, und Spucke flog auf den Boden.
    Apolonia zitterte vor Triumph. Dann drang sie in Neveras Kopf ein, wie sie es bei dem Mädchen Loreley getan hatte. Doch diesmal wollte sie nichts stehlen. Nein. Sie pflanzte ihre Gedanken in Nevera ein:
    Alle haben sich gegen mich, Nevera, verschworen. Alle
wollen mir meine Gaben stehlen, denn alle sind Motten. Nur ich - ich habe all meine Kräfte verloren. Und ich habe meinen Verstand verloren.
    Nevera warf sich auf den Rücken und schrie.
    »Was tust du?!«, brüllte Morbus. Taumelnd vor Entsetzen, kam er auf sie zu. »Nein! Lass sie!«
    Morbus’ Gesicht verzerrte sich, als Nevera heisere Laute ausstieß und ihre Arme und Beine zu zucken begannen. »Du kannst sie nicht besiegt haben! Nevera! Nevera, was hast du?«
    Sie reagierte nicht auf ihn und glotzte aus blinzelnden Augen an die Decke. Da stieß Morbus einen wütenden Laut aus und riss die Hand empor, um Apolonia zu töten.
    In diesem Augenblick traf ihn ein Stuhl auf den Kopf. Tigwid war hinter ihm aufgetaucht. Morbus stürzte vornüber. Der donnernde Energieschwall wälzte haarscharf über Apolonia hinweg und zerbarst an den hohen Wandregalen. Die Luft flimmerte. Sengende Hitze breitete sich aus. Dann fingen die Bücher und Gardinen Feuer.
    Keuchend stand Tigwid über Morbus, der sich nicht mehr regte. Der Stuhl fiel ihm aus den Händen. Als sich die Regale nach außen bogen und ein Krachen durch die Decke ging, als würde das Haus entzweireißen, sank er kraftlos zu Boden.
     
    Bassar stand an der Tür des niedrigen Raumes und überwachte die Gefangenen, die durch den langen Gang geführt wurden. Drinnen wurde jeder von ihnen in Handschellen gelegt und geknebelt, so wie Morbus es befohlen hatte. Manche Polizisten warfen sich zweifelnde Blicke zu, aber Bassar ließ sich dadurch nicht beirren - auch wenn er ein tiefes Unbehagen empfand, seit sie die Gefangenen hinaus aufs Land gebracht hatten.

    Mebb stand schweigend und mit geballten Fäusten neben ihm. Merkwürdigerweise konnte Bassar ihre Nähe im Moment kaum ertragen. Nervös zog er eine Zigarette aus seinem Etui.
    »Cornelius«, sagte Mebb plötzlich. Bassar erschrak gleich zweimal - nicht nur hatte sie ihn zum ersten Mal beim Vornamen genannt, in ihrer Stimme lag auch eine flehende Dringlichkeit, die gar nicht zu der disziplinierten Kommissarin passen wollte.
    Sie stellte sich direkt vor ihn und atmete tief ein. »Ich habe nie Ihre Entscheidungen angezweifelt, das wissen Sie. Ich vertraue Ihren Fähigkeiten als Inspektor und hege große Bewunderung für Sie. Aber jetzt muss ich energisch sagen: Was Sie tun, ist falsch!«
    Bassar sah sie verwundert an. Dann zündete er sich die Zigarette an. »Jonathan Morbus … gehört unser Gehorsam.«
    Plötzlich riss Mebb ihm die Zigarette aus dem Mund und warf sie zu Boden. » Morbus ? Haben Sie vergessen, wer das ist? Vertrauen Sie diesem aalglatten Schreiberling mehr als… mehr als mir, Inspektor?!« Sie packte ihn an den Armen und murmelte: »Erinnern Sie sich nicht an den Fall Nocturna? Morbus spielt ein Doppelspiel, und nun tun Sie alles, was er verlangt? Gott, ich begreife es nicht! Wir müssen die Gefangenen zur Wache bringen und diesen Ort umgehend verlassen, haben Sie gehört? Im Namen unserer Nocturna, ich flehe Sie an!«
    Bassar sah ihr in die verzweifelten Augen. Ihr Blick drang in ihn ein, wie … ja, wie ein Streifen Licht in tiefes Dunkel. Er wusste noch immer, dass ihr ganzer Gehorsam Morbus gehören sollte. Aber er wusste auch, dass er Mebb vertrauen konnte - er konnte ihr vielleicht sogar mehr vertrauen als sich selbst… Nun stand seine Überzeugung gegen ihre. Wofür sollte er sich entscheiden?

    »Ich … ich glaube nicht, dass Sie recht haben«, sagte Bassar langsam, und Mebbs Gesicht versteinerte sich. »… aber andererseits - wieso sollte ich meinem Glauben mehr vertrauen als Ihrem. Zum Teufel. Wenn Sie wirklich meinen, dann … gehen wir.«
    Mebb stieß vor Erleichterung die Luft aus. »Ich …«
    Plötzlich erklang ein fernes Donnern, wie eine Explosion.
    »Was war das?«, rief ein Polizist.
    »Das kam von oben!«, meinte ein anderer.
    Bassar drückte sich die Melone auf den Kopf und lief los, dicht gefolgt von seinen
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