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Noch weniger Sex und ich wäre ein Pandabär - die Desaster eines verhinderten Frauenverstehers

Noch weniger Sex und ich wäre ein Pandabär - die Desaster eines verhinderten Frauenverstehers

Titel: Noch weniger Sex und ich wäre ein Pandabär - die Desaster eines verhinderten Frauenverstehers
Autoren: Justin Halpern
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die Zeichnung – und schnappte entsetzt nach Luft.
    »Warst du das?«, fragte sie und sah mich an.
    »J-j-ja«, stammelte ich, während mir dämmerte, dass mein Versuch, Kerry zu beeindrucken, wohl nicht zum gewünschten Erfolg führen würde.
    »Das ist ja widerlich«, sagte Mrs Vanguard. Sie packte mich so fest am Oberarm, dass ihre Finger mir die Blutzufuhr abdrückten, und schleifte mich auf kürzestem Weg ins Sekretariat.
    Ich hatte das Sekretariat noch nie von innen gesehen und es mir deshalb stets als einen prunkvollen Palastsaal vorgestellt, wie er einem König gebührte – mit Schalen voll frischem Obst, einem Thron und einem bucklichten Männlein, das dem Direx jeden Wunsch erfüllte. Doch das Wartezimmer war eine herbe Enttäuschung: ein schmuckloser, drei mal drei Meter großer Raum mit einem gerahmten Poster an der Wand, auf dem ein Bodybuilder eine mächtige Langhantel zu stemmen versuchte, und darunter stand der Spruch: »Wenn du an dich glaubst, ist alles möglich«. Mrs Vanguard wuchtete mich auf einen Aluminiumklappstuhl, der neben einem Schreibtisch stand, hinter dem die Sekretärin des Direktors saß, eine kleine, gedrungene Frau Anfang sechzig mit einer riesigen Nase und Ohren wie ein fünfzig Jahre alter Preisboxer. Erst als sie mich ansah und mitleidig den Kopf schüttelte, wurde mir klar, dass ich in ziemlich großen Schwierigkeiten steckte. Tapfer wahrte ich die Fassung, bis Mrs Vanguard sagte: »Ich fürchte, wir müssen deine Eltern benachrichtigen, Justin.«
    »Nein! Bitte nicht«, jammerte ich, fing an zu weinen und schüttelte vor lauter Angst den Kopf, wie jemand, der einen Mörder anfleht, sein Leben zu verschonen. Sie ging hinaus, und als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, war es so still, dass ich nur noch meinen Herzschlag und das Ticken der Wanduhr hören konnte. Die Sekretärin schlug eine Kladde auf, griff zum Telefon, tippte eine Nummer ein und sagte: »Könnte ich bitte Mr Halpern sprechen? Es geht um seinen Sohn.«
    Die folgenden Stunden gehörten zu den längsten meines noch recht kurzen Lebens. Immer wenn ich Schritte hörte, bildete ich mir ein, meine Eltern seien im Anmarsch, und wurde starr vor Angst. Trotz meiner Furcht musste ich an Kerry denken. Da sie nicht sehen sollte, dass ich geweint hatte, wischte ich mir mit den Handrücken die Tränen aus den Augen und schmierte den Rotz, der mir aus der Nase lief, an meinen Ärmeln ab. Ich dachte daran, wie sie mich am ersten Schultag angelächelt hatte. Ich dachte daran, dass ich es eigentlich ganz süß fand, wenn sie statt i-Punkten Herzchen malte. Und ich dachte an die vernichtenden Blicke, die sie mir zuwarf, wenn sie vom Klo kam und ich sie fragte: »Na, warst du kacken?« Ich dachte in diesen zwei Stunden so ausgiebig über Kerry nach, dass ich darüber fast vergaß, wie sehr mir davor graute, dass meine Eltern in die Schule kamen.
    Und dann ging die Tür auf, und mein Vater trat ein. Ich hatte inständig gehofft, meine Mom würde als Erste da sein, aber sie war nie so pünktlich wie mein Dad. Er hatte seine braune Aktentasche bei sich, und seine Augenbrauen waren wie zwei winzige Pfeile, die fast senkrecht auf seine Nase zeigten. Er machte keinen sonderlich erfreuten Eindruck.
    »Okay, hier bin ich. Worum geht’s?«, fragte er und sah erst mich und dann die Sekretärin des Direktors an.
    Ich starrte schweigend zu Boden und vermied jeden Blickkontakt mit meinem Vater.
    »Tag, Mr Halpern. Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte die Sekretärin.
    »Gern geschehen. Sind ja auch nur fünfunddreißig Meilen, und das an einem arbeitsreichen Tag. War mir ein ausgesprochenes Missvergnügen.«
    Die Sekretärin sah mich an, ihr Blick ein stummer Hilfeschrei. Ich starrte wieder zu Boden; da musste sie allein durch.
    »Äh … also … Justin hat sich im Unterricht danebenbenommen, sodass seiner Lehrerin nichts anderes übrig blieb, als ihn der Klasse zu verweisen«, sagte sie.
    »Donnerwetter. Was hat er denn angestellt? Hat er seinen Pimmel rausgeholt und ihn jemandem gezeigt?«, fragte mein Dad.
    »Äh, nein«, stieß die Sekretärin zwischen zwei tiefen Atemzügen hervor. »Seine Lehrerin wird Ihnen den Sachverhalt gleich auseinandersetzen«, fügte sie eilig hinzu.
    Mein Dad ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber sinken, sodass er mich unverwandt anstarren konnte, und formte mit den Lippen lautlos die Worte: »Du steckst mächtig in der Scheiße, Freundchen.« Ich kann mich nicht entsinnen, dass er auch nur einmal
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