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Noch nicht mal alleinerziehend

Noch nicht mal alleinerziehend

Titel: Noch nicht mal alleinerziehend
Autoren: Dunja M Pechner
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vollen Zügen genießen und ganz bewusst in Anspruch nehmen. Wenn Sie selbst aber alles kontrollieren möchten, weil Sie Angst haben, verlassen zu werden …«
    »… dann kann ich das natürlich nicht zulassen.«
    Rosa nickte. Ihre Augen waren voller Mitgefühl, und Nora hätte sie am liebsten sofort umarmt.
    »Erinnert Sie das an eine gleichberechtigte Partnerschaft?«
    »Eher nicht.«
    »Woran dann?«
    »Eine Diktatur?«
    »Nein, das fände ich zu scharf formuliert.«
    »An Monarchie? Die Prinzessin auf der Erbse? Rumpelstilzchen?«
    Rosa lächelte und zuckte mit den Schultern. »Das können nur Sie beantworten. Wie ich eben sagte, entscheidend bei all diesen Dingen sind die Fragen: Wen brauchen Sie wirklich in Ihrem Leben? Zum jetzigen Zeitpunkt? Oder auch in der nahen Zukunft?«
    Rosa hatte die Antworten ihres Fragebogens ausgewertet und ihr etwas über ein »Inneres Team« erzählt, so eine Art Entscheidungsgremium im Inneren, das dafür verantwortlich ist, mit welcher Motivation und mit welchen Ansprüchen man Dinge macht oder entscheidet. Demnach waren da fünf Vorsitzende mit den Namen »Sei perfekt!«, »Beeil dich!«, »Streng dich an!«, »Mach es allen recht!« und »Sei stark!«. Diese sollten sich aus sogenannten »Elterngeboten« entwickelt haben, die für Kinder einen Absolutheitscharakter besäßen, der nicht angezweifelt werde. Die Nichteinhaltung könnte zur Folge haben, nicht mehr geliebt zu werden, und somit würde das eigene Verhalten darauf ausgerichtet. So hatte Rosa das erklärt und hinzugefügt: »Erst im Erwachsenenalter haben wir die Möglichkeit, zu erkennen, dass es Alternativen zu den elterlichen Botschaften gibt. Zu diesem Zeitpunkt haben sich diese Botschaften jedoch schon stark im Unterbewusstsein verankert. Unbedacht versuchen wir daher auch als Erwachsene im Privat- wie im Berufsleben die Forderungen der Gebote zu erfüllen, als ob wir unter einem geheimen Zwang stehen würden.«
    »Zwanghaft?«, fragte Luna, die bei Nora in der Küche saß und die Analyse von Noras »Innerem Team« in den Händen hielt. Luna schien ziemlich überfordert. Schließlich hatte sie die Freundin lediglich zuhause abholen wollen, um mit ihr die Samstagnacht zu feiern. Seit der Taufe waren sie nicht mehr richtig zusammen ausgegangen. Stattdessen beichtete Nora ihr jetzt, im Jogginganzug und eine Flasche Wein öffnend, sie sei in psychologischer Beratung und habe irgendwelche Persönlichkeitsanteile, die sie zwanghaft kontrollierten.
    »Du bist doch nicht ernsthaft krank, oder? Hat dir diese Tussi etwa Psycho-Pillen verschrieben?«
    Nora lachte. »Quatsch! Ich bin ja nicht schizophren!«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher. Die Typen da hat jeder von uns in sich!«
    »Aha. Also, sorry, Süße, aber ich weiß nicht, ob das gut ist, was du da machst. In mir wohnen die nicht.« Luna wedelte mit dem Blatt, auf dem jeder von Noras »Innerem Team« seinen eigenen, farbigen Balken erhalten hatte, durch die Luft.
    Laut Rosas Auswertung hatte Nora eine überdurchschnittlich starke Ausprägung der Spieler namens »Sei stark!«, »Beeil dich!« und »Sei perfekt!« und im oberen Mittelfeld angesiedelte Ansprüche in Sachen »Mach es allen recht!« und »Streng dich an!«. Rosa hatte sie aufgefordert zu überlegen, ob und wo sich diese in ihrer momentanen Situation widerspiegelten. Beruflich, in der Art und Weise, wie sie ihre Jobs anging, konnte sie viele Manifestationen finden. Auf privater Ebene hatte Nora allerdings viel mehr das Gefühl, sich in einer Art Revolution zu befinden. Und mit dem Anteil »Mach es allen recht!« konnte sie gar keine Verbindung aufnehmen. Nora war unkonventionell und gegen jede Form von Uniformität.
    Rosa hatte dazu nur Folgendes bemerkt: »Könnte es etwas mit Ihrer Unsicherheit hinsichtlich Ihres Lebensmodells zu tun haben? Schließlich lauten die möglichen Konsequenzen derzeit, dass Sie am Ende alleine dastehen. Dass Sie nicht mehr geliebt werden, wenn Sie Ihr Leben anders gestalten. Wie gesagt, Nora, als Erwachsene haben wir die Möglichkeit, diese Dinge für uns neu zu definieren und nach Alternativen zu suchen. In diesem Zusammenhang würde ich auch Ihre Wahrnehmung bezüglich einer Revolution einordnen. Das System funktioniert nicht mehr. Es befriedigt nicht mehr die Bedürfnisse der anderen und Ihre. Sie sind an die Grenzen geraten und suchen bereits nach Alternativen.«
    Nora brauchte eine Weile, um zu verstehen, aber ja …
    »Und wer von denen hat jetzt entschieden, dass der
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