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nmp12

Titel: nmp12
Autoren: Unknown
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an uns vorbeigeht. Der dazugehörige Kerl sieht
uns böse an. Grégoire kümmert sich ‘n Dreck darum.
    „Die Deutschen haben alles in
die Luft gejagt“, sagt er.
    Ich nicke zustimmend. Sicher
spricht er vom alten Hafen und von der Umladeanlage. Wenn er was anderes meint,
auch nicht schlimm. Die Deutschen haben einen breiten Rücken. Da kann man ‘ne
Menge abladen. Seit die den Krieg verloren haben... Aber der Inspektor redet
tatsächlich vom Hafen. Will wissen, ob ich die Schwebefähre benutzt habe.
    „Ja“, antworte ich.
    Er lächelt:
    „Aber eins, das konnten sie
weder kaputtmachen noch mitnehmen, hm?“
    Soll ich fragen, was er meint?
Scheiße! Er ist alt genug, um Fragen zu stellen und Antworten zu geben. Und das
tut er auch.
    „Die Sonne“, sagt er.
    „Stimmt.“
    „Die Mittelmeersonne“,
präzisiert er.
    Dieser Information zufolge muß
es wohl die alte Mittelmeersonne sein, die auf die alte Phokäerstadt scheint.
Sehr informativ, dieser Nachmittag!
    „Ja“, sage ich gelehrig.
    „Ist wohl ziemlich heiß, da
unten.“
    „Ziemlich, ja.“
    „Nicht wie hier! Haben Sie das
Wetter draußen gesehen?“
    „Ja.“
    „Wir werden wirklich nicht
verwöhnt.“
    „Kann man nicht sagen, nein.“
    „Na ja, im Mai...“
    ” Tja ’.“
    Das ist so die Art Gespräche,
die man mit den Flics führen kann. Ich schwör’s! Und dabei darf man sich nicht
beklagen. Manchmal sind die Gespräche anders. Kaum lustiger, dafür aber viel
gefährlicher...
    Wir stehen nicht alleine hier
rum. Leute gehen hin und her, Kunden für die Zeitungsverkäuferin, andere, die
nur beobachten oder zuhören... mit gleichgültiger Miene. Für ihre Ohren muß sich
unser Gespräch ganz schön blöd anhören.
    Wir wechseln noch ein paar
Worte, die so hochintelligent sind wie die vorangegangenen. Dann schläft die
Unterhaltung ein. Ich laß sie schlafen.
    Kurz darauf kommt Bewegung in
den Bahnhof. Plötzlich stehen viel mehr Leute um uns herum, voller Energie. Der
Zug wird angekündigt. Der Zug, der Hélène, Frau Grégoire und die kleine Nichte
nach Paris bringt. Man hat den Eindruck, dieser Zug läuft nicht jeden Tag ein.
Die Lautsprecher spucken und brüllen völlig unverständliche Ansagen. Man
versteht nur: „Achtung, Achtung!“ Der Rest geht unter. Nein, wir wollen gerecht
sein: manchmal versteht man: „...hat Einfahrt“. Völlig überflüssig, denn in
diesem Augenblick fährt der Zug ein.
    Ich gehe mit meinem Flic zur
Ankunft der Fernstrecken. Wir warten in der Menge. Grégoire hält die Klappe.
Paßt mir hervorragend. Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, stiert er
vor sich hin in Richtung Ankunft Charenton. Sein Blick ist von Berufs wegen
forschend, so als solle er den Staatsfeind Nummer i aus den Reisenden
rausfischen und verhaften. Plötzlich stelle ich verwirrt fest, daß wir ein
hübsches Zwillingspaar sind... mit Regenmantel und Schlapphut, ganz
unauffällig. Rundet meinen angeborenen Sex-Appeal ab. Hélène wird sich
totlachen und mich fragen, ob ich jetzt bei der Tour Pointue arbeite.
    Der Lautsprecher spuckt,
nuschelt, stottert, reißt mich aus meinen unerfreulichen Gedanken. Die
Mitwartenden werden unruhig. Der Fernschnellzug läuft ein. Die Lokomotive wird
elektrisch betrieben. Ihr fehlt die besondere Romantik der gewaltigen,
schnaufenden, spuckenden, von Rauch eingehüllten Lokomotiven. Der Konvoi der
Wartenden setzt sich in Bewegung. Die ersten Reisenden steigen aus. Eine
kunterbunte Mischung von menschlichen Exemplaren geht an uns vorbei.
    Reisende aus dem Süden, von der
Sonne verbrannt. Andere mit matter Hautfarbe. Einige mit Koffern, andere ohne.
Elegante junge Mädchen, wie Raubkatzen, wie man sie nur in Zügen oder auf
Bahnhöfen trifft, Tag und Nacht. Geheimnisvolle Wesen, anziehend, weil man
weiß, daß man sie nicht mehr wiedersehen wird. Nie mehr. Braungebrannte
Luxusweibchen. Andere sind bläßlich, sehen aus wie Dienstmädchen, die hier in
Paris eine Stelle suchen wollen. In sechs Monaten oder in einem Jahr werden
einige von ihnen aus der sechsten Etage des gutbürgerlichen Hauses, wo sie ihr
Zimmer haben, bis auf die Straße in einem Außenbezirk hinabsteigen. Ernste
Gesichter, die jemanden unter den Wartenden suchen. Wenn sie ihn gefunden
haben, strahlen sie vor Glück. Gefühlsausbrüche, die nicht enden wollen.
Fröhliche Gesichter. Müde Gesichter. Gutrasierte, schlechtrasierte. Familien.
Paare. Und dann die, die allein sind. Alleine, wo sie waren, alleine während
der Fahrt, alleine,
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