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Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Titel: Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
Autoren: Bettina Schuemann
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darüber.
    Ãœbrigens – nicht nur Daddys Eltern, auch Mamas Eltern sind reich. Großvater ist kein Bauer – die Pflanzen sind nur sein Hobby –, sondern Anwalt für wohlhabende Amerikaner in Paris. Großvater selbst ist auch Amerikaner und Großmutter und Mama auch. Wenn Großmutter abends ihre Geschichten von dem magischen Ball für uns erfindet, darf ich auf ihrem Schoß sitzen. Ich finde, man spürt, dass Großvater und Großmutter aus Liebe geheiratet haben.
    Â 
    Im September 1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus. Die Großeltern Harper ahnen voraus, was kommt, und ziehen rechtzeitig um nach Princeton in die USA. Das liegt nicht weit weg von New York.
    Â»Ausgeburt des Bösen«
    Hitler, Hitler, Hitler. Kein Tag vergeht inzwischen, an dem wir nicht über ihn reden. Er ist bei uns zur »Ausgeburt des Bösen« geworden. Mama und Daddy nehmen uns Kinder mit in Kriegsfilme, die sich über Hitler und Nazideutschland lustig machen. Wir lachen, bis der Bauch weh tut und wir unseren Schrecken übertönen.
    In all den Wahnsinn wird meine kleine Schwester Elizabeth hineingeboren. Sie ist lebendig und wild, und ich liebe sie. Ich muss sie beschützen.
    Käfige in New York
    Das Haus in der Park Avenue, in dem wir gerade wohnen, liegt gleich um die Ecke vom Central Park. Es wird Tag und Nacht von einem Türsteher bewacht. So können wir sicher sein, dass niemand hereinkommt, der nicht hierher gehört. Ich bin eine »Hierhergehörerin«.
»Hierher gehören«, das tun natürlich all unsere Familienmitglieder. Meine Lieblingstante ist Großtante Joy, Großvater Harpers Schwester. Weil sie keine eigene Familie hat, ist sie gern bei uns. Sie hat Mama beim Einrichten unserer Wohnung geholfen.
    Und wie elegant sie geworden ist, die Wohnung! Spiegel, Spiegel und nochmals Spiegel hat Mama hier verteilt, die alles groß und verwirrend machen. Manchmal sitze ich da und schaue stundenlang, bis ich fühle, wie die Welt sich auflöst, und ich zu schweben beginne. Ich verwandele mich in einen Vogel, der wegfliegt, weit weg, und dem goldenen Käfig entkommt.
    Ab und zu stelle ich mir vor, dass im Central Park Zoo alle Tiere aus ihren Käfigen gelassen werden. Vor den Schlangen hätte ich die größte Angst. Doch solange sie im Terrarium liegen, ist der Grusel herrlich. Immer wieder zieht’s mich zu ihnen hin. Großtante Joy auch. Vielleicht erzählt sie mir deshalb so gerne Märchen, denn auch die eignen sich super zum Fürchten. Uah!
    Ich liebe das Geheimnis der Straße. Die Menschen in den Straßen von New York fühlen sich an wie das richtige Leben. Wie wäre die Welt, wenn auch alle Menschen aus ihren Käfigen gelassen würden und frei herumlaufen könnten? Daddy hat heute Nachmittag mit uns im Central Park Blindekuh gespielt. Aber ich war schnell: Er Er konnte mich kein einziges Mal erwischen! Ich klaue ihm Geld und kaufe mir Süßigkeiten. »Mmmh!« Ich gebe auch den Bettlern viel von dem Geld. Das findet Daddy aber, glaube ich, richtig. Er vergisst nur, es selbst zu tun. Darum muss ich es machen.
    Nikis geheime magische Box
    Und wieder ist der Montagmorgen da. Ich hasse die Schule. Die Schwestern mögen mich nicht, aber ich mag sie auch nicht. Sie sehen alle gleich aus, eingezwängt in ihrem schwarzen Umhang. Manchmal, wenn sich die Schwester über mein Pult beugt, baumelt bedrohlich dicht vor meiner Nase das Kreuz und ich rieche ihren Geruch. Wie die Schwester wohl unter ihrer Kluft aussieht? Unwillkürlich muss ich in mich hineinlachen bei der Vorstellung.

    Â 
    Bild 3
    Die verspielten Skulpturen im Strawinsky-Brunnen stehen in einem riesigen Wasserbecken, drehen und bewegen sich und spucken Wasser, wie hier die Skulptur mit dem Namen Die Liebe .
    Â»Cathérine Marie-Agnès, lass dein unverschämtes Grinsen! Wir sind auf Seite 12, lies weiter. Zeile 11!«, krieg ich da zu hören. Ich seufze und lese.
    Ich mustere die Rücken meiner Mitschülerinnen. Auch wir sehen alle gleich aus in unseren Schuluniformen. Nur ganz vorn, da da leuchtet etwas: Mary-Ann hat wieder ein rotes Band für besondere Leistungen bekommen. Ein Dorn in meinem Auge! Autsch!
    Zu Hause reiße ich mir die Schuluniform, so schnell es geht, runter. Endlich allein! Ich hab jetzt auch ein eigenes Zimmer und bin SUPER HAPPY darüber. So kann ich in aller Ruhe meine Buchstaben malen.
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