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Nightschool. Du darfst keinem trauen

Nightschool. Du darfst keinem trauen

Titel: Nightschool. Du darfst keinem trauen
Autoren: C Daugherty
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nicht.
    Ohne Karte blieb Allie nichts anderes übrig, als selbst herauszufinden, wohin genau die Reise ging.
    Die Eltern hatten ihr noch nicht verraten, wo das Internat lag, und so rauschten die Städtenamen an ihnen vorbei: Guildford, Camberley, Farnham … Irgendwann verließen sie die Fernstraßen und schlichen auf winzigen Landstraßen zwischen hohen Hecken, die jede Aussicht versperrten, hügelauf, hügelab durch die Dörfer: Well, Dippenhall, Frensham … Nach zwei Stunden bogen sie schließlich in einen schmalen Feldweg ein, der in einen dichten Wald führte, wo es kühl und ruhig war. Ihr Vater fuhr jetzt im Schneckentempo und versuchte, so gut es ging, den Schlaglöchern auszuweichen. Nach ein paar Minuten Geruckel und Gerumpel erreichten sie ein hohes, schmiedeeisernes Tor.
    Sie hielten an. Nur das Tuckern des Motors war zu hören.
    Eine halbe Ewigkeit passierte gar nichts.
    »Vielleicht muss man hupen oder irgendwo klingeln«, flüsterte Allie. Sie ließ den abweisenden schwarzen Zaun auf sich wirken, der sich schier endlos hinzog und dann irgendwo zwischen den Bäumen verlor.
    »Nein.« Ihr Vater dämpfte ebenfalls die Stimme. »Die haben bestimmt eine Überwachungskamera oder so was. Die sehen das, wenn jemand kommt. Beim letzten Mal haben wir auch nur ein paar …«
    Zitternd setzte sich das Tor in Bewegung und schwenkte mit einem metallischen Scheppern langsam nach innen. Dahinter ging der Wald weiter; durch das dichte Geäst sickerte kaum noch Sonnenlicht.
    Allie starrte in den Schatten.
    Willkommen in deiner neuen Schule, Allie. Willkommen in deinem neuen Leben.
    Während das Tor aufging, zählte sie ihre Herzschläge. Bumm-bumm-bumm … Dreizehn Schläge, dann sah sie die Straße vor sich. Ihr Herz pochte nun so laut, dass sie verstohlen überprüfte, ob ihre Eltern es bemerkt hatten. Aber die warteten ergeben. Ihr Vater trommelte mit den Fingern gegen das Lenkrad.
    Bei fünfundzwanzig war das Tor mit einem neuerlichen Zittern wieder eingerastet.
    Ihr Vater legte den Gang ein.
    Sie fuhren los.
    Allie spürte, wie es ihr den Hals zuschnürte, und konzentrierte sich aufs Atmen. Eine Panikattacke war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Doch die Angst, die sie plötzlich übermannte, ließ sich nicht abschütteln.
    Flipp jetzt nicht aus , sagte sie sich. Das hier ist auch bloß eine Schule. Konzentrier dich.
    Es klappte. Ihr Atem beruhigte sich etwas.
    Allies Vater lenkte den Wagen auf einen gepflegten Kiesweg, der dicht von Bäumen gesäumt war. Nach der Holperstrecke vorher war der Weg nun so gleichmäßig eben, dass der Wagen geradewegs zu schweben schien.
    Allie achtete noch immer genau auf ihren Herzschlag. 123 Schläge lang nichts außer Bäumen und Schatten, dann ein koronarer Trommelwirbel, als sie wieder ins Helle kamen und sie ein Gebäude vor sich sah.
    Und schon hatte sie sich verzählt.
    Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Ein gewaltiges, dreigeschossiges Bauwerk aus dunkelrotem Klinker erstreckte sich zu Füßen eines steilen, bewaldeten Hügels. Im grellen Sonnenlicht wirkte es besonders deplatziert. Der Bau sah aus, als hätte man ihn einer anderen Zeit und einem anderen Ort entrissen und hier abgeworfen, in … wo auch immer sie hier waren. Aus dem zerklüfteten Dach ragten Türmchen, deren scharfe Spitzen wie schmiedeeiserne Dolche in den Himmel stachen.
    Heiliger Bimbam.
    »Ein beeindruckendes Gebäude«, sagte ihr Vater.
    Ihre Mutter schnaubte. »Auf beeindruckende Weise gruselig.«
    Furcht einflößend. Der Ausdruck, nach dem sie suchen, ist »Furcht einflößend«.
    Als wollte sie einen Kontrast zu dem einschüchternden Bauwerk schaffen, hatte die Sonne den Kiesweg in einen strahlend weißen Pfad verwandelt, der wie ein sanft geschwungener Elefantenzahn zu einer großen Mahagonitür führte. Davor, im Schatten des Gebäudes, ließ Allies Vater den Wagen langsam ausrollen.
    Sie waren kaum zum Stehen gekommen, als die Tür aufschwang und eine schlanke Frau lächelnd und leichtfüßig die Treppe heruntersprang. Ihre dichten, dunkelblonden Haare wurden lose von einer Spange gehalten und lockten sich an den Enden, als wären sie froh, da zu sein. Allie war erleichtert, dass die Frau so normal aussah: Sie hatte sich die Brille ins Haar geschoben und trug eine cremefarbene Strickjacke über ihrem blassblauen Kleid.
    Allies Eltern stiegen aus und gingen auf die Frau zu, um sie zu begrüßen. Allie blieb unbeachtet sitzen. Schließlich öffnete sie die Tür und
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