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Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn

Titel: Night World - Prinz des Schattenreichs - Night World - Black Dawn
Autoren: Lisa J. Smith
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flüsterte ebenfalls. »Wir wollten nicht lange fort bleiben. Miles’ Zimmergenossen wussten, was wir vorhatten, aber niemand sonst. Es war eine spontane Entscheidung - wir hatten an Halloween keine Kurse, und das Wetter war so schön, und Miles sagte, komm, wir machen uns auf zum Chimney Rock. Und dann sind wir einfach los...«
    Komm, wir machen uns auf... Früher hatte er solche Dinge zu mir gesagt, dachte Maggie, und ein seltsamer kleiner Stich durchzuckte sie. Aber das hatte er nicht mehr getan, seit er Sylvia kannte.
    Der männliche Sheriff sah Maggies Vater an. »Sie waren
nicht überrascht, dass Sie seit letztem Freitag nichts mehr von Ihrem Sohn gehört hatten?«
    »Nein. Seit er ausgezogen ist, um aufs College zu gehen, ist er ziemlich unabhängig geworden. Einer seiner Zimmergenossen hat heute Nachmittag angerufen und gefragt, ob Miles hier sei - aber er hat nicht gesagt, dass Miles bereits seit fast einer Woche fort ist. Ich dachte nur, er hätte einen Kurs versäumt oder irgendsowas...« Die Stimme von Maggies Vater verlor sich.
    Der Sheriff nickte. »Anscheinend dachten seine Zimmergenossen, er hätte sich einen kleinen, unerlaubten Urlaub genommen«, erwiderte er. »Heute Abend waren sie dann so besorgt, dass sie uns anriefen - aber zu diesem Zeitpunkt hatte ein Ranger bereits Sylvia aufgegriffen.«
    Sylvia weinte. Sie war hochgewachsen, aber gertenschlank, und sie sah zart aus. Zerbrechlich. Ihr schimmerndes Haar war so hell, dass es beinahe silbrig wirkte, und ihre klaren Augen hatten die Farbe von Wildveilchen. Maggie, die klein war und ein rundes Gesicht hatte, dazu fuchsfarbenes Haar und braune Augen, hatte sie immer beneidet.
    Aber nicht jetzt. Niemand konnte Sylvia jetzt ansehen, ohne Mitleid zu empfinden.
    »Es ist am ersten Abend passiert. Wir haben uns an den Aufstieg gemacht, aber dann schlug das Wetter um, und wir mussten umkehren. Es musste alles ziemlich schnell gehen.« Sylvia brach ab und presste sich eine Faust auf den Mund.
    »Es ist eine äußerst riskante Jahreszeit zum Felsklettern«,
begann der weibliche Sheriff sanft, aber Sylvia schüttelte den Kopf.
    Und sie hat recht, dachte Maggie. So schlimm war es nicht. Na schön, im Herbst regnete es hier meist, aber manchmal setzte sich eine Hochdruckzelle fest, wie die Wetterleute es nannten, und der Himmel blieb einen Monat lang blau. Alle Wanderer wussten das.
    Außerdem hatte Miles keine Angst vor dem Wetter. Er war erst achtzehn, aber er hatte bereits Unmengen harter Kletterpartien in den Olympic Mountains und der Kaskadenkette von Washington hinter sich. Er kletterte sogar den ganzen Winter hindurch und sammelte bei Schnee und Unwetter alpine Erfahrungen.
    Sylvia sprach weiter, doch ihre Stimme klang immer stockender und atemloser. »Miles war... er hatte eine Woche zuvor Grippe gehabt und sich noch nicht völlig davon erholt. Aber es schien alles in Ordnung mit ihm zu sein, er war so stark. Es geschah, als wir uns abgeseilt haben. Er lachte und scherzte und alles... ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er so müde sein könnte, um einen Fehler zu machen...« Ihre Stimme zitterte und verwandelte sich in ein raues Schluchzen, und der Ranger legte einen Arm um sie.
    Etwas in Maggie erstarrte. Ein Fehler? Miles?
    Sie war bereit, etwas über eine plötzliche Lawine zu hören oder das Versagen seiner Ausrüstung. Es wäre sogar möglich gewesen, dass Sylvia gestürzt war und Miles mit sich gerissen hatte. Aber Miles sollte einen Fehler gemacht haben?

    Maggie starrte Sylvia an, und plötzlich kam ihr etwas an der jämmerlichen Gestalt des anderen Mädchens seltsam vor. Dieses zart gerötete Gesicht und diese von Tränen gefüllten, violetten Augen hatten etwas Unwirkliches. Es war einfach alles zu perfekt, zu tragisch, als sei Sylvia eine preisgekrönte Schauspielerin, die eine berühmte Szene spielte - und es genoss.
    »Ich weiß nicht, wie es passiert ist«, flüsterte Sylvia. »Die Sicherung war gut. Wir hätten vielleicht mehrere Fixpunkte haben sollen, aber wir waren in Eile. Und er muss... oh Gott, mit seinem Klettergurt muss etwas nicht gestimmt haben. Vielleicht war die Schnalle nicht richtig festgezogen, oder die Karabiner waren verkehrt herum eingehakt...«
    Nein. Plötzlich kristallisierten sich Maggies Gefühle. Es war, als würde mit einem Mal alles klar und deutlich werden.
    Das war unmöglich. Das war falsch.
    Miles war zu gut. Klug und stark und ein technisch hervorragender Kletterer. Selbstbewusst, aber vorsichtig.
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