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Niedersachsen Mafia

Niedersachsen Mafia

Titel: Niedersachsen Mafia
Autoren: Hannes Nygaard
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der Neue schweigend neben Madsack stand.
Frauke betrachtete ihn noch einmal und versuchte in seinen Gesichtszügen zu
lesen. Wenn man die Vita des Mannes kannte, konnte man mit ein wenig Phantasie
Ansätze mongolischer Züge erkennen.
    * * *
    Die Kunststoffleuchte über dem Spiegel hatte auf der Oberseite
braune Flecken, die von der jahrelangen Wärmeabstrahlung der Glühbirnen
herrührten. Die dunkelblauen Badezimmerfliesen entstammten einer Zeit, in der
dieses Dekor als chic galt. Sie mussten in den sechziger Jahren angebracht
worden sein.
    Kurt Buggenthin blinzelte in den Spiegel mit den blinden Stellen am
Rand, bleckte die Zähne, nickte sich zufrieden zu und füllte Brillantine in die
Handflächen, bevor er sich die Haare an den Kopf strich. »Mist«, fluchte er,
als er sah, dass seine brennende Zigarette einen Brandfleck auf dem
Kunststoffregal verursachte, einen weiteren zu den zahlreichen Vorgängern.
    Buggenthin nahm die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger, sog
zweimal hastig daran und warf die Kippe in die Toilette, deren Deckel offen
stand.
    Seine Hand kreiste über die Sammlung von Töpfchen und Tiegeln auf
dem Regal, blieb über einer Spraydose mit Deodorant stehen, nahm das Gefäß auf
und sprühte jeweils einen kräftigen Stoß in die Achselhöhlen. Mit der flachen
Hand fuhr er sich über die Haare und wischte die fettige Hand auf seiner Hüfte
mit dem leichten Fettansatz ab, bevor er das Bad verließ und sich ins
Schlafzimmer zum Ankleiden begab. Achtlos warf er die Unterhose auf einen
Stapel schmutziger Wäsche in der Zimmerecke, zog aus einem Stapel
zusammengelegter Hosen eine neue heraus, betrachtete sie kritisch und entschied
sich für eine andere mit einem springenden Tiger neben dem Hosenschlitz.
Zwischen Unterhemd und Leinenhemd zündete er sich eine neue Zigarette an, nahm
die Hose mit dem breiten Schlag und den zahlreichen aufgenähten Taschen und zog
die Camel-Boots über. Nachdem er sich die Lederjacke übergeworfen hatte,
verstaute er Portemonnaie, Feuerzeug, Zigaretten und Brieftasche in den Tiefen
der Jacke, ließ den Schlüsselring um den Zeigefinger kreisen und griff sich mit
einem zufriedenen Grinsen die zweifarbige Tablettenschachtel. Er ließ sie in der
Seitentasche seiner Lederjacke verschwinden. Dann trank er in hastigen
Schlucken den großen Becher schwarzen Kaffee aus. Sein Arzt hatte ihm
empfohlen, ein wenig auf den Blutdruck zu achten und Genussmittel maßvoll
einzusetzen. Wenn man danach ginge, dachte Buggenthin, wäre vieles verboten,
was das Leben bereichert und Spaß macht. Mit einem letzten Blick in den
Garderobenspiegel verließ er seine Wohnung in der Georg-Böhm-Straße, setzte
sich in seinen elf Jahre alten Opel Astra und reihte sich auf der Bleckeder
Landstraße in den fließenden Verkehr ein. Der Weg führte bergab Richtung
Innenstadt. Er unterquerte die beiden Eisenbahnbrücken am Bahnhof und fand sich
kurz darauf in der Schlange der Linksabbieger wieder, die in die
Schießgrabenstraße einbiegen wollten.
    Mit der rechten Hand suchte er einen Sender, der dröhnende Popmusik
für junge Leute ausstrahlte. Da fühlte er sich zugehörig. Das war entscheidend,
nicht die dreiundfünfzig Jahre, die in seinem Ausweis standen.
    Buggenthin hatte kein schlechtes Gewissen, weil er sich am frühen
Morgen bei seinem Arbeitgeber krankgemeldet hatte. Man würde einen Tag auf
seine Anwesenheit im Lager des Versandzentrums verzichten können. Aber er
konnte, nein, er wollte nicht verzichten und fuhr sich mit der linken Hand über
seinen Schritt. Da konnte man stolz drauf sein. Nicht jeder Geschlechtsgenosse
war, seiner Meinung nach, so attraktiv von der Natur beschenkt worden wie er.
Das würde auch Elke anerkennen. Im Stillen freute er sich auf das verblüffte
Gesicht der pummeligen Bäckereiverkäuferin mit den frischen Wangen und den
Sommersprossen.
    An der roten Ampel schloss er für einen kurzen Moment die Augen und
stellte sich Elkes üppige Oberweite vor, die er bisher nur hinter der Bluse und
der Schürze hatte wahrnehmen dürfen, die die Angestellten der Kette trugen.
Natürlich glaubte er gesehen zu haben, wie sich unter der Berufskleidung die
aufragenden Brustwarzen abzeichneten, wenn er den Laden betrat. Elke war scharf
auf ihn. Ob sie wusste, dass er fünfzehn Jahre älter war? Sie wirkte schüchtern
und hatte ihm keine Fragen gestellt, sodass er von sich aus sein Alter nicht
preisgeben musste. Er war stolz, dass er noch so gut in Form war, dass Elke
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