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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung
Autoren: Gisa Klönne
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verwilderten Garten umfasste und auf ihrem damals noch flachen Bauch endete. Mein Nachbar sagt, Sie können mir helfen?
    »Ich komme gleich heim«, verspricht er ihr und fährt mit dem Pointer über den Boden. Der Pointer piepst. Eindringlich. Der Wald scheint das Geräusch zu verstärken. Diese eine Grabung noch, ganz schnell, es wird schon gut gehen. Für den Fall, dass der Förster oder die Herren Jäger wirklich schon unterwegs sein sollten, wird er besonders vorsichtig sein. Er steckt das Handy wieder in die Hosentasche und leuchtet den Boden mit der Taschenlampe ab, den Lichtkegel mit der gewölbten Hand nach oben hin abschirmend. Das Licht reicht auch so, um jedes Detail zu seinen Füßen zu erkennen. Unkraut, angetrockneter Matsch und welkes Laub tauchen im Schein der Lampe auf. Nichts weist darauf hin, dass sich darunter ein Metall, womöglich sogar Gold verbirgt. Er setzt den Spaten an, sieht wie in einem Film-Parallelschnitt Sabine vor sich, wie sie mit Jan auf dem Arm ins Badezimmer geht, um den Inhalationsapparat zu holen. Er weiß ganz genau, dass sie mit ihrer heiseren Nachtstimme Jans Lieblingslied von den Regenwürmern singt, Würmer, die sich unverdrossen und ungesehen durch den Boden winden. Und natürlich wird Jan beim Anblick des Inhalationsapparates trotzdem zu weinen beginnen und damit Julia wecken, die ebenfalls losheulen wird. Familienleben. Bevor er Sabine traf, schien es vollkommen ausgeschlossen, dass er einmal so leben würde. Doch mit jedem Tag, an dem er damals für sie Leitungen und Fliesen verlegte, Wände verputzte und Dielenböden abschliff, wurde Sabines Vision von ihrem Haus unmerklich zu seiner eigenen Vision, und als sie schließlich im Bett landeten, fühlte sich das auf verrückte Weise so an, als ob das Kind, das da schon in Sabines Bauch heranwuchs, sein eigenes Kind sei. Der Sohn, den er vor vielen Jahren gezeugt und im Stich gelassen hatte.
    Er hebt die erste Erdsode aus dem Boden. Nichts ist in der schwarzen Erde zu erkennen, doch der Pointer piept, als er ihn in das Grabloch hält. Sumpfgeruch steigt ihm in die Nase, als er tiefer gräbt, das Pointersignal wird stärker, er greift zu und bekommt etwas zu fassen. Etwas Dünnes, Biegsames mit einem Knubbel. Er packt fester zu, Erde bröckelt ihm durch die Finger, etwas blitzt auf, er hält es ins Licht: Gold, wirklich Gold, aber nicht aus der Römerzeit, sondern modern. Eine feingliedrige Halskette mit einem herzförmigen Anhänger liegt in seiner Hand. Sogar der Verschluss ist noch intakt.
    ***
    Als er die Altstadt erreicht, ist die Show bereits in vollem Gange. Kriminaltechniker schwärmen über die Wiesen zwischen Altstadt und Rhein und sacken sogar den Inhalt der Mülltonnen ein. Uniformierte Kollegen sichern die großräumige Polizeiabsperrung. Auch die Gaffer sind schon da und verfolgen das Treiben mit Argusaugen. Es ist eine Szene wie aus einer Vorabend-Krimiserie, und wie zur Bekräftigung der TV-Tauglichkeit dräut am Himmel ein neuer, gnadenlos sonniger Tag. Obwohl es erst 4:30 Uhr ist, wird es über Dom und Altstadt von Sekunde zu Sekunde heller und auch heißer, als blende jemand einen gigantischen Scheinwerfer auf.
    Manni springt neben dem bereitstehenden Leichenwagen auf eine Mauer. Der Anruf der Zentrale hat ihn aus dem Tiefschlaf gerissen, Sonja war deutlich schneller wach als er. Es bleibt doch bei morgen, hat sie zum Abschied gesagt und sich auf diese neue, schwerfällige Art herumgewälzt, um ihm in die Augen zu sehen. Er entdeckt Millstätt und den neuen Pressesprecher Torsten Reiermann neben einem Bus der Spurensicherer. Wenn Millstätt persönlich hier ist, hängt die Sache hoch. Manni hält auf die beiden zu, drängt die Gedanken an Sonja und den lange hinausgeschobenen Antrittsbesuch bei seiner Mutter beiseite.
    »Manni, gut.« Millstätt verpasst ihm einen leichten Schlag auf den Oberarm, der offenbar zugleich Begrüßung, Ermunterung und Abschied ist, denn bevor Manni etwas erwidern oder fragen kann, hastet der KK 11-Leiter schon wieder davon.
    »Ein Touristenmord ist ganz schlechte PR für Köln.« Reiermann pustet in seinen Styroporkaffeebecher. »Da werden die da oben sofort nervös.«
    »Das Opfer ist also identifiziert?« Manni zieht einen Overall und Booties über und versucht Judith Krieger zu erspähen. Vergebens. Stattdessen fällt ihm plötzlich auf, dass in Reiermanns Linker ein Paar knallrosa Absatzsandalen baumelt, ganz lässig, wie ein Damenhandtäschchen.
    »Der KURIER schon
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