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Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister

Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister

Titel: Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
Autoren: Michael Scott
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    Sie fühlte sich …
    Perenelle schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht genau sagen, wie sie sich fühlte. Sie hatte diesen Mann Mitte des vierzehnten Jahrhunderts in Paris getroffen und sich in ihn verliebt. Am 18. August 1350 hatten sie geheiratet, und wahrscheinlich hätte sie an einer Hand abzählen können, wie viele Monate sie in den Jahrhunderten danach getrennt waren. Sie war zehn Jahre älter als Nicholas und er war nicht ihr erster Mann, aber sie waren bereits ein Jahrhundert verheiratet gewesen, bevor sie ihm gesagt hatte, dass sie Witwe war.
    Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an geliebt und sie liebte ihn immer noch, weshalb ihre Gefühle doch eigentlich … Sollte sie nicht verzweifelter sein … wütender … trauriger, weil er jetzt starb?
    Aber sie war nichts von alledem.
    Sie fühlte sich … erleichtert .
    Ganz unbewusst nickte sie. Sie war erleichtert, dass es bald ein Ende hatte.
    Der Buchhändler, der – mehr oder weniger zufällig – Alchemyst geworden war, hatte ihr Wunder offenbart und die unglaublichsten Dinge gezeigt. Sie hatten diese ganze Welt und die angrenzenden Schattenreiche bereist. Zusammen hatten sie Ungeheuer und Kreaturen bekämpft, die es außerhalb von Albträumen nicht hätte geben dürfen. Und obwohl sie viele Freundschaften geschlossen hatten – mit Humani und Unsterblichen, mit Wesen des Älteren Geschlechts und selbst mit Angehörigen der nächsten Generation –, hatten sie die bittere Erfahrung machen müssen, dass sie sich nur auf sich verlassen konnten. Voll und ganz vertrauen konnten sie sich nur gegenseitig. Zärtlich fuhr Perenelle mit den Fingern Wangenknochen und Kinn ihres Mannes nach. Wenn er jetzt sterben sollte, würde er in ihren Armen sterben, und es war ihr ein Trost, dass sie ihn nicht lange überleben würde. Nach über sechshundert Jahren gemeinsamen Lebens glaubte sie, es nicht ertragen zu können, ohne ihn zu leben. Doch er durfte noch nicht sterben – sie würde es nicht erlauben, würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn am Leben zu erhalten.
    »Entschuldige bitte«, sagte Prometheus unvermittelt.
    »Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen«, erwiderte Perenelle. »Scathach hatte recht, Tod und Zerstörung sind uns durch die Jahrhunderte gefolgt. Unseretwegen sind Menschen gestorben – weil sie uns halfen, uns beschützten oder einfach nur, weil sie uns kannten.« Ihr Gesicht war plötzlich voller Schmerz. Im Lauf der Jahre hatte sie sich einen Panzer zugelegt, damit sie nicht ständig an all das Leid und den Tod denken musste. Doch es gab Zeiten – so wie jetzt –, da bekam der Panzer Risse, und sie fühlte sich für jeden einzelnen Tod verantwortlich.
    »Aber du hast auch viele gerettet, Perenelle, so viele.«
    »Ich weiß.« Die Augen der Zauberin ruhten auf Nicholas’ Gesicht. »Wir haben die Dunklen des Älteren Geschlechts in Schach gehalten und Dee und Machiavelli und all die anderen ihrer Art jahrhundertelang geärgert.« Sie drehte sich so, dass sie beobachten konnte, wie das aufgewühlte Nichts in rasender Geschwindigkeit immer näher kam. »Und wir sind noch nicht fertig. Du darfst nicht zulassen, dass wir hier sterben, Prometheus.«
    »Ich fahre, so schnell ich kann.« Prometheus’ Gesicht war von blutrotem Schweiß bedeckt. »Wenn ich die Welt nur noch wenige Augenblicke zusammenhalten kann …« Draußen verdichteten sich die salzig riechenden Wolken und hüllten den Wagen in einen feuchten Kokon ein. Prometheus schaltete die Scheibenwischer ein. »Wir sind fast da«, stellte er fest.
    Dann, als sie das Schattenreich verließen und nach Point Reyes zurückkehrten, hob sich der Nebel, und die Welt explodierte in Farben, die so grell waren, dass es fast schmerzte hinzuschauen. Prometheus machte eine Vollbremsung und der schwere Wagen kam schlingernd auf der unbefestigten Straße zum Stehen. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Eine Hand auf das Wagendach gelegt, drehte er sich zu den Nebelbänken um und beobachtete, wie sie immer heftiger in Bewegung gerieten, verblassten und sich in hauchdünne Fäden auflösten.
    Er hatte eine halbe Ewigkeit darauf verwendet, diese Welt zu erschaffen und ihr ihre Gestalt zu geben. Sie war ein Teil von ihm. Doch nun zerfiel sein eigenes Schattenreich zu nichts, und der Kristallschädel hatte seine Aura so geschwächt, hatte so in seinen Erinnerungen gewütet, dass er wusste: Ein zweites Mal würde er sie nicht mehr erschaffen können. Als sich der Nebel für einen Augenblick
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