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Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin

Titel: Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
Autoren: Michael Scott
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gelernt.
    Jetzt allerdings erforderten es die Umstände, dass sie sich – mit einigem Unbehagen – verbündeten.
    Die beiden Männer saßen nun schon eine halbe Stunde im Speisesaal von Machiavellis großem Stadthaus hinter dem Place du Canada in Paris. Während all der Zeit hatte keiner ein Wort gesprochen. Beide hatten sie auf ihren Handys dieselbe Vorladung bekommen: das Bild eines Wurms – Ouroborus –, der seinen eigenen Schwanz verschluckt. Es war eines der bedeutendsten Symbole der Dunklen des Älteren Geschlechts. In der Mitte des Wurmkreises hatte die Zahl 30 gestanden. Noch vor ein paar Jahren hätten sie die Vorladung per Fax oder mit der Post erhalten, vor Jahrzehnten per Telegramm und noch früher auf Papier oder Pergament, das ein Bote vorbeigebracht hätte. Damals hätte man ihnen Stunden oder Tage Zeit gegeben, um sich auf das Treffen vorzubereiten. Jetzt kam die Nachricht über das Handy und die eingeräumte Zeit war in Minuten bemessen.
    Obwohl sie auf den Anruf gewartet hatten, fuhren beide zusammen, als das Telefon in der Mitte des Tisches klingelte. Machiavelli streckte die Hand aus und drehte das Telefon herum, damit er die Anruferkennung sehen konnte, bevor er antwortete. Eine ungewöhnlich lange Nummer, die mit 31415 begann – er erkannte darin den ersten Teil der Kreiszahl Pi –, lief über das Display. Als er den Antwortknopf drückte und die Freisprechanlage einschaltete, erschollen erst einmal ein lautes atmosphärisches Rauschen und Knacken, dann ein leises Flüstern wie von einem milden Lüftchen.
    »Wir sind enttäuscht.« Die Stimme am Telefon sprach einen alten lateinischen Dialekt, der zuletzt Hunderte von Jahren vor Julius Cäsar gesprochen worden war. »Sehr enttäuscht.« Es war unmöglich festzustellen, ob die Stimme männlich oder weiblich war, und manchmal klang es sogar, als sprächen zwei Leute gleichzeitig.
    Machiavelli war überrascht. Er hatte die knarrende Stimme seines eigenen dunklen Gebieters erwartet – diese hier hatte er noch nie gehört. Aber Dee kannte sie. Obwohl Dees Miene nach wie vor ausdruckslos war, sah der Italiener, wie sich die Kiefermuskeln des englischen Magiers anspannten und er fast unmerklich die Schultern straffte. Aha. Dann war das also Dees geheimnisvoller Gebieter. Das dunkle Wesen aus dem Älteren Geschlecht, dem er seine Unsterblichkeit verdankte.
    »Man hat uns versichert, dass alles bereit sei … Man hat uns versichert, dass Flamel gefangen gesetzt und ermordet würde … Man hat uns versichert, dass Perenelle vernichtet würde und dass die Zwillinge festgenommen und uns übergeben würden …«
    Die Stimme verlor sich kurz im statischen Rauschen, bevor sie wieder zu verstehen war.
    »Aber Flamel ist noch immer auf freiem Fuß … Perenelle kann zwar die Insel nicht verlassen, aber sie ist ihrer Gefängniszelle entkommen. Die Zwillinge sind geflohen. Und wir haben noch immer nicht den vollständigen Codex. Wir sind enttäuscht« , wiederholte die geisterhafte Stimme.
    Dee und Machiavelli sahen sich an. Menschen, die die Dunklen des Älteren Geschlechts enttäuschten, hatten die Tendenz, zu verschwinden. Ein Gebieter des Älteren Geschlechts konnte Menschen Unsterblichkeit schenken, doch dieses Geschenk konnte durch eine einzige Berührung auch wieder rückgängig gemacht werden. Je nachdem wie lange der Mensch unsterblich gewesen war, fuhr das Alter oft urplötzlich und mit katastrophalen Folgen durch seinen Körper. Jahrhunderte holten ihn ein und zerstörten mit einem Schlag Gliedmaßen und Organe. In Sekundenschnelle konnte ein gesund wirkender Mensch sich in ein Häufchen ledriger Haut und morscher Knochen verwandeln.
    »Ihr habt uns im Stich gelassen« , flüsterte die Stimme.
    Keiner der Männer unterbrach die nachfolgende Stille. Beide waren sich nur zu deutlich bewusst, dass ihr ausgesprochen langes Leben nun an einem seidenen Faden hing. Sie waren beide mächtig und einflussreich, aber niemand war unersetzlich. Die dunklen Wesen des Älteren Geschlechts hatten andere menschliche Agenten, die sie auf Flamel und die Zwillinge ansetzen konnten. Jede Menge.
    Es knisterte und knackte in der Leitung, dann meldete sich eine andere Stimme: »Dennoch darf ich darauf hinweisen, dass noch nicht alles verloren ist.«
    Jahrhundertelange Übung gewährleistete, dass Machiavellis Miene nichts verriet. Das war die Stimme, die er erwartet hatte, die Stimme seines Gebieters aus dem Älteren Geschlecht. Die Stimme eines Herrschers, der vor mehr
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