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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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jungfräulichem Fleisch.« Rohes Lachen aus dem Dunkel unterstrich seine Worte.
    Kriemhild schauderte. Zugleich aber dachte sie an die Dorfbewohner, die sie und Jodokus hatten umbringen wollen. Dies mochte eine Gelegenheit sein, ihnen ihr böses Trachten heimzuzahlen.
    »Es gibt ein Dorf«, sagte sie schließlich gepreßt. »Etwa einen halben Tag westlich von hier. Es liegt an einer Furt, nördlich der Straße. Ihr könnt es nicht verfehlen.«
    »Und lebt dort noch einer?«
    Ein anderer gröhlte: »Leben noch Weiber dort? Schnell, sag es uns, dann schonen wir dich.«
    Der Anführer fuhr herum und bedachte den Schreihals mit einem finsteren Blick. Sogleich sank der Mann zu Boden und blieb mürrisch und schweigend am Feuer sitzen.
    »Es leben noch welche, allerdings.« Kriemhild wunderte sich über sich selbst. Ihr Haß und ihr Zorn auf die Dörfler, die sie ganz ohne Grund hatten töten wollten, war ungebrochen. »Aber sagt, wollt auch Ihr mir eine Auskunft geben?«
    »Was willst du mit einer Auskunft, Mädchen? Du wirst bald sterben, das weißt du doch.«
    »Sterben werde ich, gewiß«, entgegnete sie, nun ein wenig gefaßter. »Doch verratet mir, wie sieht es im Osten aus?«
    Der Anführer murmelte etwas zu sich selbst, dann gab er seinen Männern Zeichen, sich wieder schlafenzulegen. »Schlecht sieht es aus. Die Plage ist überall. Der Schwarze Tod hat reichlich Ernte gehalten. Ich habe viele meiner Männer verloren.«
    »Kennt Ihr einen Ort namens Salomes Zopf?«
    Der Söldnerführer blickte sie düster an. »Was für ein Ort soll das sein?«
    Kriemhild setzte zu einer Erwiderung an, doch im selben Augenblick erhob sich im Hintergrund ein Mann, der eilig auf den Anführer zustolperte; eine Reihe von Flüchen verriet, wo seine Füße im Dunkeln gegen Schlafende stießen. Er trug eine braune Mönchskutte, an seinem Hals baumelte ein Rosenkranz aus Holzperlen. Ohne Kriemhild aus den Augen zu lassen, beugte er die Lippen an das Ohr des Söldnerführers und raunte ihm sichtlich erregt etwas zu. Die Augen das Anführers weiteten sich überrascht, dann streckte er Kriemhild abwehrend seine Fackel entgegen.
    »Bist du des Teufels, Weib?«
    »Des Teufels, Herr?« fragte sie unschuldig.
    »Warum sonst fragst du nach Salomes Zopf?«
    Der Mönch trat einen Schritt zurück. »Es heißt, dort…« Der Rest ging unter, als er furchtsam die Stimme senkte. Einige Männer in seiner Nähe keuchten erschrocken auf.
    Kriemhild fragte sich, ob sie vom Regen in die Traufe geraten war. Wann wirst du nur lernen, dein loses Mundwerk zu halten?
    So sagte sie das erstbeste, das ihr einfiel: »Es heißt, man könne dort Heilung finden.«
    Der Anführer lachte höhnisch. »Wie lange hast du die Krankheit schon?«
    »Zwei Tage, Herr.«
    »Was glaubst du denn, wie lange du noch leben wirst?«
    »Ich weiß es nicht, Herr.«
    »Einen Tag, höchstens anderthalb. Zu Fuß brauchst du sehr viel länger, um zu Salomes Zopf zu gelangen. Ein Wunder, daß du überhaupt noch laufen kannst.«
    Kriemhild schluckte. »Ich hoffte, einem Herrn wie Euch meine Leibesdienste anzutragen, damit er mich auf seinem Roß mitnimmt.«
    Der Söldner und seine Kumpane stießen ein gräßliches Gelächter aus. »Leibesdienste, so, so«, meinte der Anführer. »Wer soll Gefallen an einer pestkranken Hure finden, Weib?« Er schüttelte verächtlich den Kopf und hob seine Stimme: »Nun mach schon, daß du fortkommst, bevor ich Befehl gebe, einen Pfeil an dich zu verschwenden!«
    »Habt Dank, Herr«, zischte Kriemhild zwischen zusammengepreßten Zähnen.
    »Verschwinde von hier und krepiere irgendwo, wo du keine ehrbaren Krieger mit deinem Elend ansteckst.« Beim Wort »ehrbar« erntete er neuerliches Gelächter. Der Anführer drehte sich abrupt zu seinen Kumpanen um. »Und ihr, faules Gesindel, steht schon auf! Noch vor Tagesanbruch will ich unter einem festen Dach sitzen und Bier saufen, in jedem Arm ein Weib, das schöner ist als dieses hier!«
    Johlende Zustimmung schlug ihm entgegen, während Kriemhild schwankend an den Lagernden vorüberhumpelte. Ehern bekämpfte sie den Drang, sich nach den Männern umzusehen. Jeden Augenblick erwartete sie eine Klinge oder Bolzenspitze im Rücken.
    Doch die gröhlende Horde ließ sie tatsächlich ziehen. Zu groß war die Vorfreude, um auch nur einen weiteren Gedanken an die kranke Wanderin zu verschwenden.
    Kriemhild hatte sich noch keine hundert Schritte nach Osten entfernt, als der Trupp bereit zum Abmarsch war. Wenig später schon
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