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neue SF 1

neue SF 1

Titel: neue SF 1
Autoren: Langdon Jones
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U-Bahnstation der Northern Linie vorbeikommst.
    Du gehst so langsam, obwohl du nichts trägst, keinen Korb, auch kein Einkaufsnetz.
    Warum gehst du so langsam? Nicht daß ich ein Recht auf diese Frage hätte, nicht daß mich die Antwort – wenn ich sie wüßte, wenn es eine gäbe – von dem Rätsel ablenken könnte, das du bist.
    Ich, ein manchmal unterwürfiger Hirte. Du, eine Jungfrau mit Kind.
    Du hast die Kinder in die Schule gebracht. Das ist reine Vermutung. Ich weiß nicht, wo sie zur Schule gehen. Ich stelle mir nur vor, daß sie zur Schule gehen, sie sehen gleichaltrig aus, beide. Eines meiner Kinder wäre jetzt auch im schulpflichtigen Alter, nur eins. Aber wieso muß ihre Schule von deinem kleinen weißen Haus so weit entfernt sein – eine Meile? Vielleicht ist das die einzige Schule in der Nähe, die du für gut genug hältst oder in der Platz für sie war, da du kaum neun Monate in diesem Bezirk wohnst. Vielleicht hast du sie dorthin geschickt, weil dir der Spaziergang gefällt, weil du dann am Tage eine halbe Stunde allein sein kannst. Vielleicht hoffst du, daß die halbe Stunde ausreicht, um angesprochen zu werden von einem erfahrenen Mann. Ich weiß, daß du einen Großteil des Tages, jedes Tages im Haus allein bist, wo immer das Au-Pair-Mädchen sein mag.
    Vielleicht hast du sie auch hierhergeschickt, damit das Au-Pair-Mädchen eine Stunde aus dem Haus ist und du während dieser Zeit allein sein kannst? Bringt sie die Kinder gewöhnlich zur Schule? Das ist mir noch nicht aufgefallen.
    Wenn du auf einem Stuhl sitzt, hast du köstliche Knie.
    Schmatz, schmatz.
    Ich könnte sie lecken, auffressen, bis ganz hinauf, wo sie nicht aufhören.
     
    Ich bilde mir immer wieder ein, das Telefon fängt an zu klingeln, und mein Herz setzt einen Schlag aus. Wenn es tatsächlich klingelte, würde ich vor Angst wahrscheinlich nicht rangehen. Noch dreiundsiebzig Tage. Zu weit fortgeschritten, als daß es jetzt noch schiefgehen dürfte. Bitte laß es nicht schiefgehen, laß es nicht aufhören vor der Stunde Null oder später. Sie nimmt sich so sehr in acht, wünscht sich das Kind so sehnlich. Ohne es könnte alles so schnell vergehen.
    Wieder höre ich das Telefon, quer durch eine Decke, zwei geschlossene Türen und unzählige Kubikmeter Leere. Ich lausche mit der höchsten Konzentration, die ich überhaupt aufbringen kann, und komme zu dem Schluß, daß es nebenan läuten muß.
    Und wieder die Telefonklingel.
    Ich springe aus dem Bett, reiße die Schlafzimmertür auf, stolpere die ersten Stufen hinauf, über den Treppenabsatz, dann die nächsten Stufen, stoße im Erdgeschoß die Tür des Wohnzimmers zurück (das das Telefon enthält), atme schnell und schwer, während ich mich im Dunkeln zu beherrschen versuche. Der Hörer ist von der Gabel gefallen, liegt gurgelnd auf der Tischplatte.
    Es klingelt immer noch. Ich atme etwas ruhiger.
    Mir fällt auf, daß es nicht geklingelt hat, als ich das Zimmer betrat. Ich lege den Hörer auf den Apparat, falls sie mich während der Nacht anruft oder anrufen läßt.
    Ich kehre in meinen Kellerraum zurück.
     
    Ein Mann schaut dich nicht an, als du vorbeigehst. Er blickt zu dir herum, nimmt deine Rückseite wahr, kaum daß er an dir vorbei ist. Er geht weiter hangabwärts, entfernt sich von dir. Du gehst gewohnt langsam, jeder Schritt scheint dir eine Qual zu sein. Der Mann schaut wieder nach vorn, nachdem er einige Schritte lang deine davonschreitende Kehrseite betrachtet hat. Er muß seine Richtung ein wenig ändern, weil seine Füße nach der Kopfdrehung nicht mehr parallel zum Bordstein zeigen, wenn er auch in der Senkrechten unverändert ist.
    Dein Hintern ist herrlich anzuschauen.
    Es wäre irreführend und sinnlos, bei dieser besonderen Gelegenheit deine Kleidung zu beschreiben, da du so viele Sachen hast. Ich mag dich am liebsten in Blue Jeans oder hohen Stiefeln oder in deinem kurzen purpurnen Cordrock.
    Plötzlich verlasse ich den Buchladen, murmele dem Inhaber, nein, dem Geschäftsführer zu, daß ich zu spät zur Arbeit komme. Er scheint kaum zu merken, daß ich gehe, daß ich gegangen bin und nun hügelabwärts eile, so schnell es geht, ohne (mir selbst) deutlich werden zu lassen, daß ich haste, daß ich mich nicht dazu verleiten lassen möchte, mir vorzustellen, ich verfolge sie. Sie ist noch immer auf der anderen Straßenseite, geht sogar langsamer als vor Sekunden, anscheinend (von hinten, aus einem Winkel von 290 Grad gesehen) ziellos.
    Du, das andere Ich,
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