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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Autoren: Else Ury
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ist sie - haste nicht gesehen!« Mit Gemütsruhe blickte Ursel der in einiger Entfernung davonsausenden Eisenschlange nach. »Na, denn nicht! Es ist entschieden angenehmer, hier in den Anlagen auf der Bank den schönen Morgen zu genießen, als in der Dresdner Bank über Zahlen zu schwitzen. Also ein Viertelstündchen können wir noch beisammenbleiben, Cäsar. Aber dann bist du brav und trollst dich heim, gelt? Schau, eine Bank ist ein ebenso gräßliches Institut wie eine Schule, da lassen sie dich nicht hinein.« So unterhielt sich Ursel mit Cäsar, der mit klugen Augen zu ihr aufblickte. Aber bei all seiner Hundeintelligenz hatte er doch wohl nicht so recht begriffen, daß seine junge Herrin einen ebenso ernsthaften Weg ging wie früher in die Schule. Sie trug ja keine Ledertasche mit Schulbüchern, folglich stand es ihm frei, ihr das Geleit zu geben. Nur die Schultasche hielt Cäsar in respektvoller Entfernung. Vergeblich schauten der Professor und seine Frau bei ihrem gemeinsamen Frühstück nach dem Durchgebrannten aus. »Du, Rudi, die Ursel wird den Köter doch nicht etwa in ihren neuen Wirkungskreis mitnehmen?« meinte Frau Annemarie schließlich bedenklich.
    Rudolf Hartenstein lachte. »Da brauchst dir keine grauen Haare drum wachsen lassen, Herzle. So arg treibt's die Ursel nimmer. Das wagt sie bei all ihrem Übermut wohl doch nicht. Ein wenig Verständigkeit wird sie ja auch wohl von mir mitbekommen haben.« Bei jeder Gelegenheit zog der Professor seine Frau mit ihrem jungen Ebenbild auf. »Als ob ich jemals ein so unvernünftiger Springinsfeld gewesen wäre, Rudi. Das heißt, unser Puck, Gott habe ihn selig, hat mir auch am ersten Schultag das Geleit in die Klasse gegeben und dort große Aufregung verursacht.«
    »Also schau, wie die Alten sungen, zwitschern die Jungen«, neckte der Professor weiter. »Aber nein, die Ursel ist ja doch zehn Jahre älter, als ich damals gewesen bin, die muß doch verständiger sein. Wenn sie ihn bloß heimschickt, den Cäsar. Er müßte doch schon längst zurück sein, meinst du nicht, Rudi?«
    »Wird halt auch Frühlingsgefühle haben und zarte Fäden zu irgendeiner Hundeschönen anspinnen. Weißt, Weible, an solchem wonnigen, sonnigen Maimorgen werden selbst so alte Eheleut', wie wir zwei beid', wieder jung, gelt, meine Alte?«
    »Na, erlaube mal!« Energisch machte sich Annemarie aus dem sie umfassenden Arm Rudis frei. »Alte - ja, das kommt davon, wenn eine junge Frau einen alten Mann heiratet, der bald sein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat. Ich fühle mich heute noch genau so jung wie damals, als noch der verschleierte Wiegenkorb mit irgendeinem quäkenden Etwas unter der maigrünen Linde stand. Wenn die erwachsenen Kinder nicht wären, die einem unbarmherzig den Zeitenspiegel vorhalten - ich glaube, ich wäre sogar fähig, noch dieselben Dummheiten zu machen wie dereinst.«
    »Sag' ich's nicht, solch Maimorgen wirkt verjüngend wie ein Jungbrunnen.« Lachend begab sich der Professor zur Frühsprechstunde.
    Bis zur letzten Minute hatte Ursel in den Bahnhofsanlagen den schönen Maimorgen genossen. Erst als die nächste Bahn in die Station einfuhr, verfiel sie wieder in Trab. Sie konnte gerade noch in die sich bereits langsam wieder in Bewegung setzende Bahn hineinspringen. Und hinter ihr sprang es, trotz ihres »Zurück, Cäsar!« hinein mit vier braunen Hundebeinen.
    »Der Hund gehört auf die vordere Plattform - solch großen Köter dürfen Sie überhaupt nicht hier mit reinbringen, der belästigt ja die Mitfahrenden«, beschwerte sich ein älterer Herr, der augenscheinlich noch nicht recht ausgeschlafen hatte.
    »Ich kann nichts dafür, wenn die Töle hintendreinkommt«, verteidigte sich Ursel, obwohl sie ebenfalls ganz und gar nicht von Cäsars Gesellschaft begeistert war. »Und überhaupt - wenn hier kein Hund rein darf, rauchen darf man hier ebensowenig.« Mit nicht mißzuverstehendem Blick schaute sie von der dampfenden Zigarre des Herrn zu dem Schild »Nichtraucher«.
    »Na, nu hört sich ja wohl Verschiedenes auf!« Mit grenzenlosem Erstaunen sah der Herr auf das junge Persönchen, das sich so keck zur Wehr zu setzen wußte. »Ja, das ist die Jugend von heute - keinen Respekt mehr vor dem Alter - ja, ja, dann ist es natürlich kein Wunder -«
    Was kein Wunder war, wurde von einer großen Dampfwolke, die er ingrimmig hervorstieß, verschlungen.
    »Herrjott, der Hund is doch keene wilde Bestie nich, vor dem brauchen Se sich doch jar nich so zu haben«, schlug
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