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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Minajew
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ein schrilles Lachen aus. Wieder laufen ein paar Tropfen an ihrem Hals hinunter, fast bis in ihren Ausschnitt.
    Zehn Minuten später sitzt Rita, mit den Schulterblättern an den Spiegel gelehnt, auf der Teakholzeinfassung des Handwaschbeckens. Unter meinen ruckhaften Stößen rutscht sie immer wieder ab, so dass ich mich mit dem Fuß an der Tür abstützen muss, um besseren Halt zu haben.
    » Fester!« Rita stöhnt absichtlich laut. » Noch fester!« Ein zusammengerollter Geldschein fällt ihr aus der Hand und landet auf dem Fußboden. » Ich liebe dich!« Sie hebt die Augenlider, fokussiert mit Mühe ihren Blick auf mich und flüstert: » Wir sind das coolste Paar in ganz Moskau.«
    Ich werfe einen prüfenden Blick auf meine Gestalt im Spiegel hinter ihr. Kurzer Haarschnitt à la Justin Timberlake, braune Augen mit dunklen Ringen darunter. Ich sehe aus wie ein Szenetyp reinsten Wassers (der ich ja auch bin). Das T-Shirt hochgeschoben, die abgewetzte Jeans auf den Knien hängend, die Spitzen meiner Paul-Smith-Turnschuhe mit dem traditionellen Muster ragen unter dem Jeansstoff hervor. Ich bin siebenundzwanzig. Im letzten halben Jahr habe ich keine wirklich relevante Fete in Moskau ausgelassen.
    » Ich liebe dich«, stöhnt Rita und beißt mich ins Ohrläppchen.
    » Ich liebe dich«, flüstere ich.
    » Ich hasse dich!«, ächzt Rita, die sich langsam in Ekstase bringt. Jemand hämmert gegen die Tür.
    » Ich weiß«, sage ich nur mit den Lippen.
    Aber Rita hört mich sowieso nicht mehr. Sie gibt ein kurzes Stöhnen von sich, greift instinktiv zur Seite und öffnet den Wasserhahn. Wasser spritzt mir auf den Bauch.
    » Ich weiß«, flüstere ich wieder.

Mis s Broad w a y
    Ein Abend, der die schönsten Mädchen aus allen Teilen unseres großen Landes versammelt hat; ein Abend, den jeder ledige– oder nicht allzu verheiratete– Mann (Jahreseinkommen nicht unter zwanzig Millionen Euro) miterlebt haben muss; ein Abend, an dem sich die Vertreter der freien Presse auf die Massen an Fressalien und Getränken stürzen wie ein Rudel Wölfe– dieser Abend geht langsam zu Ende.
    Wenn ich mich so umschaue, wird mir klar, dass die wichtigste Stütze unserer vaterländischen Filmindustrie die Frauen sind. Und, nebenbei bemerkt, des gesamten russischen Kulturbetriebs.
    Soeben verkündet man von der Bühne herab die Siegerin des heutigen Wettbewerbs. Die Moderatoren schreiten die lange Reihe der Teilnehmerinnen im Badenixen-Outfit ab (deren hübsche Beinchen blau angelaufen sind, weil es schweinekalt im Saal ist), überreichen der soeben gekürten » Miss Broadway« den ersehnten Hauptpreis und zwei weiteren Finalistinnen Blumensträuße. Begleitet wird diese Zeremonie von dem lauten Gejohle der Jurymitglieder, bissigen Kommentaren der Moderatoren und dem einträchtigen Applaus der geladenen Gäste. Die anwesenden Vertreter der volkstümlichen Presse, längst im Zustand fortgeschrittener Alkoholisierung befindlich, bringen ihre Zustimmung in unverständlichen Sprechchören zum Ausdruck. Die Siegerin, ein schwermütiges Mädchen aus Ufa, befindet sich nunmehr im Besitz einer fabrikneuen Mercedes-Limousine, einer Hauptrolle in einem Kinofilm und einer großen Menge von Blumen. Als Zugabe gehört ihr das verheißungsvolle Lächeln gleich mehrerer potenter Mäzene. Die beiden Finalistinnen erhalten Kohle, einen Casting-Termin in einem Filmstudio und die gierigen Blicke der kleineren Geldgeber. Mein Kumpel Anton und ich bekommen einen feuchten Furz und einmal umsonst Vollfressen und Vollsaufen.
    Die Meute der geladenen Gäste, abgefüllt bis zur Halskrause, drängt wie eine einzige, alkoholausdünstende Amöbe zur Bühne, um die Siegerinnen genauer anglotzen zu können. Die Presse entfesselt ihr Blitzlichtgewitter und » Miss Broadway« und die beiden Finalistinnen veranstalten eine Runde Frauenwrestling, mit Küsschenküsschen und unter reichlichem Einsatz von Tränenflüssigkeit. Überall werden Hände geschüttelt und Dankesworte geflüstert. Die Mitglieder der Jury heben ächzend ihre müden Hintern von den Stühlen, als hätten sie Schwerstarbeit geleistet. Kurz, es herrscht allseits Harmonie und eitel Wohlgefallen. Wieso, weiß ich allerdings nicht: Vierundzwanzig Mädchen auf sechshundert Gäste, das geht beim besten Willen nicht auf.
    » Ich frage mich, wie man für so einen jämmerlichen Wettbewerb so viel Schotter verbraten kann«, meint Anton und schaut sich um.
    » Wieso?«, frage ich zurück und stecke mir eine Zigarette an.
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