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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Minajew
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organisiert hat!«
    » Und die die DVD mit den Videos ausgetauscht hat, ja. Du hast doch immer gesagt, die Kunst soll dem Volk gehören, Andrej. Tja, und so ist das Volk eben in den Genuss deines kleinen Amateurpornos gekommen. Meinst du, das Volk war noch nicht reif dafür? Vielleicht, aber das ist wohl eine andere Frage. Das Einzige, was du in deinem Leben gelernt hast, ist, einen guten Eindruck zu machen. Sogar Rita, die Gelegenheit hatte, dich in den vier Monaten ziemlich gut kennenzulernen, wollte im letzten Moment einen Rückzieher machen, oder zumindest einen Gang runterschalten. Sie werden ihn in Stücke reißen, hat sie gesagt. Aber ich habe sie beruhigt. Keine Angst, mein Herzchen, habe ich gesagt, das schaffen sie nicht. Er entkommt und geht ins Exil. Wie ein großer Revolutionär. Er versteckt sich bei Papa auf der Datscha. In der Hinsicht habe ich mich allerdings geirrt.«
    » Ich werde denen erklären, wer diese Schweinerei eingefädelt hat!«
    » Na klar, die werden nur darauf warten! Die werden dir jedes Wort glauben, du Hip-Hop-Star! Olga Gomelskaja, die Frau des bekannten Rechtsanwalts, organisiert in ihrer Freizeit Sabotageanschläge auf Geburtstagsfeiern! Versuch es, vielleicht hast du Erfolg. Wer weiß?«
    » Du bist mit Gomelski verheiratet? Der ist doch steinalt! Wie musst du das Geld lieben!«, krächze ich.
    » Willst du noch eine Ohrfeige haben, du Schlaumeier? Weißt du, wenn einem die Möglichkeit geraubt wird, seine Kinder zu lieben, fängt man an, sich an einfachen Dingen zu erfreuen. Am Geld, zum Beispiel. Davon abgesehen: Er ist ein außergewöhnlich anständiger und liebevoller Mann. In deiner Sicht ist das allerdings kein Vorzug, ich weiß. Er schreibt auch keine Hip-Hop-Songs. Und er spielt auch nicht das verwöhnte Söhnchen eines amerikanischen Millionärs. Er ist ein echter russischer Millionär. Apropos Geld: Als Dajew dir das Geld für den Artikel gegeben hat, hat da in deinem Kopf keine Alarmglocke geläutet? Du kennst dich doch aus in der Szene, hat dir niemand von ihm erzählt?«
    So mag man sich fühlen, wenn man im Kino sitzt und einen Film mit einem schlampig zusammengezimmerten Plot anschaut. Mittendrin hat man plötzlich raus, wie er ausgeht. Wer der Böse ist, wer der Gute, wer eine unbedeutende Nebenfigur. Alles ist auf einmal glasklar und durchschaubar. Und trotzdem guckst du den Film zu Ende, nur damit du dir mal wieder sagen kannst: Junge, du hast echt den Durchblick, du solltest selber Drehbücher schreiben! Aber dies hier ist kein Film. Dies ist eine gemeine, eine ganz schmutzige Intrige, in die dich drei hinterhältige Weiber verstrickt haben. Drei zynische, herzlose Luder. Sie haben dich reingelegt. Vorgeführt. Dich verarscht wie einen vertrottelten Spießer.
    » Du hast Vadim angestiftet, mir diesen gefakten Text unterzuschieben«, denke ich laut. » Und dann habt ihr dafür gesorgt, dass Wsjeslawski in Vadims Firma anruft. Wie einfach! Und alles geschah innerhalb von ein paar Tagen. HIV , Schwangerschaft, der Auftritt, die Kündigung… Sauber! Ihr seid echte Helden der Arbeit!«
    Olga raucht wieder. Diesmal klopft sie die Asche in die Zigarettenschachtel. Hat sie etwa die ganze Schachtel geraucht? In meinem Kopf hallt völlige Leere. Komplette Gefühllosigkeit. Seltsam, aber sogar meine Wut ist vollständig verflogen. Geblieben ist nur Schwermut. Trostlose, graue Depression.
    » Sag mal, wie hast du es hingekriegt, die Aufnahme in meinem Diktafon zu löschen?«, frage ich zu meiner eigenen Überraschung.
    » Was für ein Diktafon?«
    » Stell dich nicht dumm. Das Interview mit Bucharow, die Redaktion sagte mir damals, das Band sei leer gewesen.«
    » Du hast eine bewundernswerte Fähigkeit, dich um Nebensächlichkeiten zu kümmern, Andrej. Was interessiert mich dein Diktafon? Warum fragst du mich nicht, was ich mit dem Zugunglück zu tun habe?« Olga macht sich bereit zum Gehen. Sie drückt die Zigarettenschachtel zu und verstaut sie in ihrer Handtasche. » Von deinem Diktafon höre ich zum ersten Mal. Aber so wie ich dich kenne, hast du einfach vergessen, auf Aufnahme zu drücken. Bei dir ist alles möglich. Mit dem Zugunglück habe ich übrigens nichts zu tun, das war nur ein Scherz. Das Unglück ist einer von den wenigen Zufällen in dieser Geschichte. Na gut, ich habe schon viel zu lange mit dir herumgetrödelt, ich muss los. In drei Stunden geht mein Flugzeug.«
    » Du gehst? Du kannst doch jetzt nicht einfach so weggehen!« Aus irgendeinem Grund
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