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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman
Autoren: Michel Birbaek
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eines Kapitäns, der im Krieg zur See gefahren war und dabei mehr gesehen hatte, als ein Mensch je sehen sollte. Bloß, dass er das Dorf nie verlassen hat. Er hörte nur seit sechzig Jahren Besoffenen zu. Konnte einem zu denken geben.
    Wir quetschten uns an die Theke und riefen nach Bier. Als Anita uns sah, glaubte ich ein kleines Lächeln zu sehen, konnte aber auch Wunschdenken sein, denn sie ignorierte Rokko komplett, obwohl er sie butterweich anschaute. Immerhin stellte sie zwei Bier vor uns, bevor sie zur nächsten Bestellung weiterzog. Das Bier war nicht richtig kalt. Der Kühlschrank funktionierte nicht, aber da kein Lebender je mitbekommen hatte, dass die Zapfanlage gereinigt wurde,trank man besser aus der Flasche. Die Quoten standen 1 zu 2, dass die TÜV-Plakette der Zapfanlage noch das Reichssiegel trug.
    Ich sah Rokko an.
    »Habt ihr Streit?«
    Er zuckte die Schulter und sah zum Pokertisch hinüber, an dem Schröder, Telly und Karl-Heinz saßen. Schröder tat, als würde er mich nicht sehen. Karl-Heinz trug etwas, das wie ein Tweedanzug aussah. Tweed. Bei dreißig Grad. Eine einzige neue Frau reichte, um ein ganzes Dorf um den Verstand zu bringen.
    »Okay, Dicker, machen wir sie fertig.«
    »Ich komme gleich nach.«
    Rokko packte seine Flasche und schlenderte zum Pokertisch. Ich blieb an der Theke stehen und kippte das Bier, bevor es noch wärmer wurde. Udo Jürgens begann sich bei Chérie zu bedanken, und jemand schlug fluchend auf die Musikbox ein. Sie hatte die Angewohnheit, selbst zu entscheiden, welche Titel sie spielte. Auch in dieser Angelegenheit kam niemand auf den Gedanken, sich bei Gunnar zu beschweren. Man ging ja auch nicht zum Kreuz Jesu und bat ihn herunterzukommen, um etwas zu reparieren.
    Anita blieb auf der anderen Seite der Theke stehen und stellte mir eine neue Flasche vor die Nase.
    »Brennst du mit mir durch?«
    »Was wird dann aus diesem Palast hier? Hast du schon mit Gunnar über die Pacht gesprochen?«
    »Ich hab grad andere Baustellen.«
    Sie begann Gläser zu spülen. Ihr schwarzer Pony hing ihr in die Stirn, als sie zum Pokertisch rüberschaute, wo Rokko mir Zeichen machte, mich auf den freien Stuhl neben ihm zu setzen.
    »Was hat er diesmal angestellt?«
    Sie heftete ihre blauen Augen auf mich.
    »Was er angestellt hat?« Sie wischte sich einen Tropfen Spülwasser von der Wange. »Gestern Abend hat er vor meinen Augen die Neue nach ihrer Telefonnummer gefragt.« »Das ist bloß eine Wette.«
    Sie funkelte mich an.
    »Erspar mir den Scheiß, Paul.« Sie warf einen Blick zum Pokertisch. »Ich frage mich langsam, ob er überhaupt je erwachsen wird.«
    »Irgendwann erwischt es jeden.«
    »Die Frage ist nur, wann.« Ein Gast rief nach Bier. Sie nickte als Zeichen, dass sie es gehört hatte. »Die Neue sieht toll aus und wirkt nett, wär die nichts für dich?«
    »Oh, bitte, nicht du auch noch. Mor macht mich schon wahnsinnig.«
    Für einen Augenblick lächelte sie, dann wanderte ihr Blick wieder zum Pokertisch, und ihre Miene verdüsterte sich. »Einen Konkurrenten bist du jedenfalls los. Sie hat ihn gestern voll auflaufen lassen.«
    »Ach, wirklich? Hat er irgendwie vergessen zu erwähnen.« Wir tauschten einen Blick. Ein weiterer Gast rief seine Bestellung. Anita legte wieder los. Ich ging zu Gunnar rüber, vor dem ein Herrengedeck stand. Er konnte die Klaren stundenlang in sich reinkippen, ohne dass man ihm etwas anmerkte. Ich hielt meine Bierflasche hoch.
    »Was ist das?«
    Sein Blick huschte über die Bierflasche, suchte den Haken. »Ein Scheißflaschenbier«, sagte er mit seinen von tausend Kettenrauchernächten gefolterten Stimmbändern.
    »Ein lauwarmes Scheißflaschenbier«, korrigierte ich. »Der Kühlschrank ist im Arsch, die Musik ist scheiße, die Klos sind ’ne Katastrophe, dein Laden geht den Bach runter, ist nur ’ne Zeitfrage, bis das Gesundheitsamt ihn schließt. Also, wieso verpachtest du ihn nicht an Anita? Sie macht doch eh schon die ganze Arbeit.«
    »Zwingt sie ja keiner.«
    »Du hast ihr vor einem Jahr versprochen, dass du ihr den Laden verpachtest.«
    »Hab ich?«
    »Vor Zeugen.«
    Er schaute an mir vorbei durchs Lokal wie ein Kapitän über die See.
    »Hab ich auch gesagt, wann?«
    »Ich würde dir ja androhen, dir die Bude anzuzünden, aber das würde den Verkaufswert steigern, also denk doch mal darüber nach, ob du nicht dein Wort halten willst.«
    Ich ging zum Pokertisch rüber, und zwei Bier später legte ich drei Asse auf den Tisch. Schröder
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