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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der es nicht gewusst hatte.
    »Ich habe dir gesagt, dass Gott sich nicht betrügen lässt«, sagte Altieri. Er bemühte sich nicht einmal, den zufriedenen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen. »Du hättest es besser wissen sollen, Clemens!«
    Allein dafür, dachte Andrej, sollte er diesem selbstgerechten Narren eigentlich den Hals umdrehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie auch über Alis Gesicht ein Schatten huschte und er ganz kurz die Hände zu Fäusten ballte. Doch auch er sagte nichts, sondern tauschte lediglich seinen Platz wieder mit dem Assassinen, der immer noch hinter Ayla stand, die Hände halb erhoben und geöffnet, wie um sofort zugreifen zu können. Andrej fragte sich, was das sollte und wer den Befehl dazu gegeben hatte. Ali oder Clemens?
    »Und?«, fragte er knapp.
    »Ich habe gesagt, Gott lässt nicht mit sich handeln«, sagte Altieri noch einmal. Etwas knirschte, als würde Metall zu zerbrechen beginnen. Ein Schrei erklang und brach sofort wieder ab.
    »Sieh nach dem Rechten«, bat er Abu Dun, nicht weil er glaubte, dass es wirklich notwendig war, sondern weil die Anwesenheit des Nubiers ihm in zunehmendem Maße Unbehagen bereitete. Er konnte nicht einmal sagen, warum.
    Abu Dun sah ihn verblüfft an, dann stampfte er mit finsterem Gesicht böse vor sich hin grummelnd davon.
    »Es … es wirkt nicht«, stammelte Ayla. Ihre zerfressene Zunge bewegte sich hinter den für alle Zeiten gebleckten Zähnen, doch der grauenhafte Anblick brachte etwas in seiner Seele zum Erschauern wie ein Eissturm eine zarte Sommerblüte. Er wollte nichts mehr, als sie in die Arme zu schließen und vor allen Gefahren dieser Welt zu beschützen.
    »Und wie könnte es auch?«, giftete Altieri. »Das ist Ketzerei! Gott wird seinen heiligen Zorn …«
    Clemens nahm Andrej die Mühe ab, den geifernden Greis zum Schweigen zu bringen, indem er ihm eine schallende Ohrfeige versetzte. Altieri quietschte wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hatte, und plumpste auf das knochige Hinterteil. Clemens drehte sich so ruhig wieder zu Ayla um, als wäre gar nichts geschehen, nahm ihr den Becher aus der Hand und wandte sich mit einem auffordernden Nicken an Kasim, der die Zeit genutzt hatte, um Clemens’ selbst gebauten wundertätigen Becher auseinanderzunehmen und jetzt nur noch das dreieckige Bruchstück in den Fingern hielt, das aus dem ursprünglichen Trinkgefäß stammte. Ungeschickt versuchte er, es wieder an seinem ursprünglichen Platz zu befestigen, was ihm aber nicht gelingen wollte.
    Andrej trat rasch hinzu, um ihm zu helfen. Zunächst sträubte sich Kasim und versuchte ihn gar wegzuschieben, dann aber nickte er dankbar. Doch selbst Andrej fiel es nicht leicht, das dreieckige Bruchstück wieder an seinem Platz zu befestigen: Die Jahrhunderte hatten ihren Tribut gefordert, es war verzogen und die Ränder abgenutzt und hier und da beschädigt, von den verschiedenen Versuchen, es in ein anderes Gefäß einzupassen. Mit Werkzeug und ein wenig Zeit wäre es vermutlich ein Leichtes für Kasim gewesen, den Schaden wieder so auszubessern, dass nur dem kundigen Auge der Unterschied aufgefallen wäre. Hier und jetzt musste auch eine grobe Arbeit reichen.
    »Bemüht euch ruhig!«, giftete Altieri. »Es ist sinnlos! Gottes gerechte Strafe wird euch alle treffen! Ganz egal, was ihr auch …« Diesmal war es Ali, der neben ihn trat, und ihn mit einem Schlag zum Schweigen brachte. Nicht mit der flachen Hand, wie Clemens es getan hatte, sondern mit der Faust und so hart, dass er bewusstlos auf den Rücken fiel.
    Dann packte er Fernando an der Kehle, beließ es aber dabei, ihn warnend von sich zu stoßen, statt die Bewegung so zu Ende zu führen, wie er es gekonnt hätte, und dem Gardehauptmann den Kehlkopf zu zerquetschen. Fernando hob beide Hände, zum Zeichen, dass er verstanden hatte und nichts mehr unternehmen würde. Andrej nahm sich fest vor, das nächste Mal sehr genau hinzusehen, wenn sich jemand als Kammerdiener vorstellte – ganz egal als
wessen
Kammerdiener.
    »Danke«, sagte er.
    »Dass ich ihn am Leben gelassen habe?«
    Andrej fragte vorsichtshalber nicht, wen genau Ali damit meinte, und auch Fernando wich nur rasch zwei oder drei weitere Schritte zurück, begann mit der Rechten seinen Hals zu massieren und übte sich rasselnd in der Kunst, das Atmen wieder zu lernen.
    Kasim hatte die Zeit genutzt, um den Rest aus seinem Lederbeutel in den goldfarbenen Becher zu gießen. Er hielt ihn schräg, so, dass nur wenige
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