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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versetzte einem letzten Angreifer einen Tritt, der ihn regelrecht in der Mitte durchbrechen ließ, und krallte seine Eisenfinger in eine Schulter, die unter seinem Griff zerfiel wie mürbe gewordener Stoff.
    Dann schob er sich rasch durch das offen stehende Tor wieder herein, griff zugleich mit der freien Hand nach den Gitterstäben und warf die Tür hinter sich mit solcher Gewalt ins Schloss, dass die gesamte Konstruktion bedrohlich zu ächzen begann. Doch noch bevor es geschah und so schnell, das selbst Andrejs Blick der Bewegung kaum zu folgen vermochte, packte er den letzten Soldaten, der sich hinter ihm in Sicherheit gebracht hatte, und schleuderte ihn wieder hinaus und der heranrückenden Mauer lebender Toter entgegen.
    »Bist du wahnsinnig geworden, Sarazene?«, keuchte Ali. »Was hast du dir …?«
    Er sprach nicht weiter, denn der Soldat hatte es irgendwie geschafft, auf den Beinen zu bleiben und nicht nur herumzufahren, sondern auch seine Waffe hochzureißen, um sich gegen die schrecklichen Angreifer zu verteidigen, ganz egal, wie sinnlos es auch sein mochte.
    Aber niemand griff ihn an. Ganz im Gegenteil schienen die Toten mit einem Mal jegliches Interesse an ihm verloren zu haben. Ausgestreckte Arme sanken herab, zum Zuschnappen geöffnete Kiefer schlossen sich wieder, und etliche Gestalten schlurften einfach mit leerem Blick an ihm vorbei, als wäre er für sie gar nicht mehr vorhanden.
    Alis Augen wurden groß. »Aber was …?«, murmelte er und brach dann abermals ab, als sich Abu Dun nach der verbogenen Eisenstange bückte, sich aber gar nicht erst die Mühe machte, das lädierte Schloss damit zu blockieren, sondern sie kurzerhand um zwei nebeneinanderliegende Gitterstäbe drehte und sie damit zusammenband, wie andere es mit einer ledernen Schnur oder einer Kette getan hätten. Weder Andrej noch der Camerlengo beachteten es, denn sie starrten wie alle anderen den Soldaten an, den Abu Dun wieder hinausgestoßen hatte. Der Mann stand noch immer wie erstarrt da, das Schwert halb zum Schlag erhoben. Endlose, lange Sekunden. Dann und mit Bewegungen, die Andrej auf beunruhigende Weise falsch vorkamen, ließ er die Waffe sinken und drehte sich steifbeinig herum.
    Sein Gesicht hatte sich grau gefärbt, und unter der auf kranke Art durchsichtig gewordenen Haut zeichnete sich ein Spinnennetz aus Tausenden fein verästelten schwarzen Linien ab. Seine Augen waren leer.
    »Er wurde gebissen«, sagte Abu Dun. Er blickte Andrej an, dann Ali, und schien wohl einzusehen, dass er keine Entschuldigung hören würde, denn er schürzte beleidigt die Lippen, deutete ein Schulterzucken an und drehte sich dann herum, um seine Enttäuschung an einer Gestalt mit grauem Gesicht und leerem Blick auszulassen, die herangeschlurft kam und einen Arm durch die Gitterstäbe streckte. Abu Dun war niemals ein sehr duldsamer Mann gewesen, doch in diesem Fall machte es keinen Unterschied, denn mit nur einem verbliebenem Arm rüttelte die Kreatur nur umso heftiger an den rostigen Gitterstäben.
    »Wird sie das aufhalten?«, fragte Ali und wies auf die Eisenstange, mit der Abu Dun die beiden Torhälften gesichert hatte.
    »Nicht auf Dauer«, antwortete Abu Dun kopfschüttelnd. »Aber das hier.« Er ballte die eisernen Finger zur Faust und schickte noch ein trotziges Nicken hinterher, doch Ali wirkte nicht überzeugt.
    Andrej war es auch nicht. Immer mehr und mehr blutleere Hände schlossen sich um die Eisenstäbe, und immer mehr von der widernatürlichen Verhöhnung von Leben erfüllte Körper pressten sich gegen das Hindernis. Abu Dun schwang nur aus Frustration seine eiserne Faust und zermalmte Finger und Hände, aber die Untoten drängten weiter gegen das ächzende Tor. Staub und kleinere Steinbrocken rieselten aus der Decke. Sie konnten nur hoffen, dass die uralte Konstruktion dem Ansturm standhielt.
    »Sucht etwas, um das Tor zu verstärken!«, befahl Ali, packte einen Mann, der sich an ihm vorbeidrängen wollte, am Arm und stieß ihn so hart zurück, dass er gestürzt wäre, hätten seine Kameraden ihn nicht aufgefangen.
    »Niemand betritt diesen Raum«, sagte er mit einer Kopfbewegung hinter sich. »Wer es versucht, den töte ich persönlich!« Zugleich machte er eine knappe Geste mit der Linken, woraufhin die Assassinen hinter ihn traten und demonstrativ ihre Waffen hoben.
    »Ja, genau das brauchen wir jetzt«, grollte Abu Dun. »Einen Kampf zwischen unseren eigenen Leuten. Damit sie es nicht so schwer haben, wenn sie hereinkommen!«
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