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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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sichtbar bereit sich binnen eines Herzschlags in einen reißenden Wolf zu verwandeln, sollte es notwendig sein. Ihn schien es überhaupt nicht zu kümmern, nackt vor einem mehr oder weniger fremden Mann zu stehen, während Rouven sich beschämt die Decke über die Knie zog. Offenbar hatte Barlev alles mit angesehen. Der wunderbare Moment der Zweisamkeit war zerstört, möglicherweise der Letzte, den er jemals mit Iyen teilen durfte. Maßlos enttäuscht, müde und zornig starrte er Barlev an und wartete, bis der sich umständlich einen Stuhl geholt und in gebührendem Abstand hingesetzt hatte.
    „Es gibt kaum jemanden, der von dieser kleinen Geheimkammer weiß, die unsere beiden Zimmer verbindet. Ich habe sie auch nur durch Zufall entdeckt. Man kann diesen Raum hier auf diese Weise ungesehen beobachten.“
    „Und darum hast du darauf bestanden, dass ich hierher ziehe?“, fragte Rouven vorwurfsvoll.
    „Nicht um dich auszuspionieren, bitte glaubt mir! Ich war so in Sorge um dich, du warst so teilnahmslos nach unserer Rückkehr, und jeder zerriss sich in Halbwahrheiten über dich und Iyen. Ich hatte Angst, dass du dich selbst umbringst oder wegläufst und es dann womöglich wieder mehrere Tage dauert, bis es jemandem auffällt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich dafür hasse, dass ich damals so lange brauchte, um zu merken, dass du einfach nicht mehr da warst. Ich habe noch immer Albträume davon. Also habe ich so zwei, dreimal täglich heimlich nach dir gesehen, ob du lebst und noch da bist. Nur ein kurzer Blick, ich schwöre, ich habe dich nicht stundenlang beobachtet oder belauscht. Als ich allerdings eben nachsehen wollte, erblickte ich Iyen, der sich neben deinem Bett niederkniete. Das hätte alles bedeuten können! Dass er dich mitnehmen wollte, warnen vor einer neuen Gefahr oder Entführung, alles Mögliche. Deshalb habe ich gelauscht. Als ihr dann plötzlich ...“ Er errötete verlegen wie ein kleiner Junge. „Ich wollte wirklich nicht bei einem solch intimen Moment zusehen“, sagte er beschämt. „Aber es war so – so ...“
    „Widerlich? Bizarr? Unnatürlich?“, schlug Iyen angriffslustig vor.
    „Nein“, flüsterte Barlev. „Es war das Schönste, das ich jemals gesehen habe. So viel Schmerz und tief empfundene Liebe und Zärtlichkeit ...“ Er streifte sie beide mit einem flüchtigen Blick, starrte dann wieder auf seine Finger hinab, die er nervös ineinander verknotete.
    „Als Iyen zu dem Öl griff, wurde mir klar, was folgen würde und ich wollte nur noch raus. Weg, um mich nicht endgültig zu … mir fällt gar kein Wort dafür ein …“ Er schüttelte verwirrt den Kopf. „Das musst du irgendwie gehört haben, Iyen, du hast suchend in meine Richtung geblickt.“
    „Es war nur ein flüchtiges Gefühl. Hätte ich etwas gehört, wäre ich notfalls durch die Wand gesprungen, um herauszufinden, was es war“, knurrte Iyen. Er sah allerdings etwas weniger finster aus und schien sich ein bisschen zu entspannen.
    „Genau davor hatte ich Angst. Also bin ich geblieben, hab mich nicht mehr gerührt und ich habe auch alles Weitere gehört und gesehen – und wenn das zuvor schon das Schönste war, was ich bis dahin je gesehen hatte – das war herzbewegender als alles, was ich mir hätte ausdenken können. Und, nun ja, anregender.“ Er lief so rot an, als würde er gleich gar gekocht werden, spielte weiter nervös an seinen Fingern, bis Rouven fast fürchtete, er könne sich versehentlich den Daumen ausreißen. Noch nie zuvor hatte er seinen Bruder so erlebt! Doch da blickte Barlev hoch. Er hatte sich gefangen und sah nun wieder so beherrscht und würdevoll aus, wie es sich für einen wahren Prinz gehörte.
    „Ich kann euch helfen“, sagte er leise. „Mein Schwiegervater ist sehr krank. Elleryn – das ist meine Frau, Iyen – ist bereits mit den Kindern nach Mornlin aufgebrochen. Nicht mehr lange, und ich werde zum König gekrönt. Ja, es ist eine bedeutungslose Provinz am Rand der Wüste, kaum wert, ein Königreich beschimpft zu werden. Aber du wirst dort immer ein Zuhause haben, Bruder, wenn du es willst. Solltest du nach einer sinnvollen Aufgabe streben, wird sich eine für dich finden und die Winter dort sind angenehm warm.“ Rouven und Iyen tauschten einen verblüfften Blick.
    „Ich kann meinen Untertanen nicht befehlen, einen Oshanta mit offenen Armen zu empfangen. Ihn zu ignorieren, wenn er sich abseits von ihnen aufhält und friedlich bleibt, das wäre schon möglich. Und
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