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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
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umgedreht. Er verkeilte sich mit den Knien, spannte die Armbrust erneut und legte den nächsten Pfeil ein. Er konnte Dullo sowieso nicht lenken, also war es wohl besser, einen zweiten Versuch zu wagen, der vielleicht noch erfolgreicher war.
    Allerdings sollte er sich beeilen, denn der Seeschwärmer tauchte unablässig immer tiefer ab. Hier unten war Mittlicht bereits vorüber und Dunkeldämmer setzte ein, die Sicht wurde also rasch schlechter. Aber Eri konnte durch die heftigen Schwimmbewegungen kaum zielen. Dullo war schnell genug, den verletzten Urantereo auf Abstand zu halten, konnte ihm jedoch nicht entkommen. Eri erkannte am Geschmack des Wassers, dass sie sich auf vertrautes Gebiet begaben, und geriet in Panik, weil Dullo zu den Gründen wollte und damit den Meeresriesen in die Stadt lockte. Nicht auszudenken! Er spürte mehr, als dass er es sah, dass die Flanke des Vulkans aus dem Dämmer auftauchte, es konnte also nicht mehr weit sein.
    Nicht versagen, nur nicht versagen , dachte er mit klappernden Zähnen, sonst wird die ganze Stadt vernichtet, und es ist alles meine Schuld.
    Der Urantereo schrie, riss das Maul auf und blähte die Kiemen, nahm seine Kräfte ein letztes Mal zusammen, um den Feind, der ihm diese schrecklichen Schmerzen zugefügt hatte, einzuholen.
    Eri bemühte sich seine Angst zu unterdrücken, versuchte die zitternden Hände ruhig zu halten und zu zielen, während Dullo in wilden Schwüngen dahinraste. Der Prinz war ganz allein, Geror konnte ihn nicht mehr anleiten, alles lag nun an ihm. Niemand, der ihm helfen würde. Niemand, der verhindern konnte, was jetzt geschah.
    Ein Schuss hatte gesessen, weil Eri blind den Anweisungen folgte, alles ausgeschaltet und sich nur auf das Ziel konzentriert hatte. Er hatte gar nicht so recht begriffen, was vor sich ging. Doch jetzt ... 
    Jetzt musste er sich zusammenreißen. 
    Es war doch gar nicht anders als vorhin, um keinen Deut.
    … bis auf den Umstand, dass der Abstand noch viel zu groß war, die Sicht dabei immer schlechter wurde und die Heimat bald erreicht war.
    Vorhin musste er nur seinen Bruder retten. Jetzt die ganze Stadt. Also … im Grunde dasselbe, oder?
    Mit einem wilden Schrei zielte Eri auf das rechte Auge des Riesen und löste die Sehne.
    Ein heftiger Sturm brach aus, als auch dieser Pfeil sein Ziel traf und das zweite Auge zerplatzte. Der Todeskampf des Urantereo wühlte die See auf, brachte selbst die Lichtschichten durcheinander, und flirrende Glutlichter breiteten sich aus. Eri und Dullo wurden davongewirbelt. Sie drehten sich um ihre eigene Achse, während der schwarze Fels des Vulkans rasend schnell näher kam. Schließlich konnte der Prinz sich nicht mehr halten und wurde in dem Moment aus dem Nacken des sich verzweifelt drehenden und bockenden Seeschwärmers geschleudert, als sie den Vulkan erreichten.
    Eris Kiemen wurden zusammengepresst, als er rücklings gegen den harten Fels prallte und mit dem Kopf aufschlug. Brennender Schmerz flammte in seinem Schädel auf, vor seinen Augen flimmerte es und zugleich wurde es dunkler. Er versuchte zu schwimmen, konnte aber die Arme nicht mehr bewegen. Dullo schlug einen Haken, wendete und schwamm flossenschlagend davon.
    »Dullo!«, versuchte Eri seinem Tiergefährten nachzurufen, doch nur ein unartikuliertes Blubbern kam hervor. »Dullo ...«
    Dann verlor er das Bewusstsein.

2.
In der Stille

    Davon erwachte Eri: Es war zu still. Er erschrak so sehr darüber, dass er mit einem Ruck wieder bei sich war und sich panisch umsah. Sein Schädel brummte, doch dieses Geräusch reichte nicht aus, um ihn zu beruhigen.
    Ich sinke , dachte er. Oder schwebte er? Nein, es ging nach unten, er konnte es am zunehmenden Druck auf seine Ohren spüren. Und es wurde immer dunkler. So tief unten war Eri noch nie gewesen, und es war zudem auch streng verboten. Es gab Orte, an die durfte nicht einmal ein Nauraka gelangen, das hatte schon sehr lange Tradition. Gerade der Hochfürst wahrte sie, und er achtete daher streng auf Einhaltung des Tabus. Selbst Eri hatte noch nie gewagt, dagegen zu verstoßen, denn Onkel Turéor warnte ihn besonders davor, allzu leichtsinnig zu sein:
    »In den Tiefen lauern Gefahren, die vor allem junge Heißsporne meiden müssen. Hör auf mich, Eri, nur dieses eine Mal: Wenn du je Abenteuer erleben willst, so übertrete andere Verbote und schau dich überall um – aber überschwimme niemals die Grenze des Zwielichts. Was dort unten im Abgrund lauert, ist der Tod für alle
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